Die Kosten der Energiewende





In Kap. 7 meines Buchs "Die Zukunft unserer Energieversorgung (energie2)" wird die Frage untersucht: Welche globalen Kosten entstehen durch den Versuch, die Energielücke von ca. 11 · 1013 kWh/a, die sich bis 2050 aufgrund der Verknappung der fossilen Energieträger auftut, mit erneuerbaren Energieträgern zu füllen? Die Antwort lautet:
  • Die finanziellen Kosten liegen jährlich zwischen 5.3% bis 7.5% des globalen Bruttoinlandprodukts von 2010 (BIP(2010)), je nachdem, ob die entstehenden Kosten des notwendigen Strukturwandels nicht, oder mit dazu gerechnet werden.
  • Die materiellen Kosten sind dagegen (besonders beim Aluminium) so hoch, dass der Versuch scheitern muss.
Es handelt sich hierbei um die realen Kosten, welche durch die Erweiterung der bisher vorhandenen Anlagen zur globalen Energieversorgung entstehen.

In diesem Kapitel geht es um eine andere Frage, nämlich um die zusätzlichen Kosten, die durch den Austausch von klimaschädlichen durch klimaneutrale Energieträger entstehen. Im Wesentlichen handelt es sich also um den Ersatz der fossil-biogenen Energieträger in der nationalen Energieversorgung, der in Deutschland unter dem Stichwort "Energiewende" bekannt ist. Dabei wird stillschweigend angenommen, dass die fossil-biogenen Energieträger auch 2050 noch  in ausreichender Menge zur Verfügung stehen (sog, "Referenzszenarium"). Der Austausch führt daher zu Treibstoffeinsparungen, welche in der Kosten-Nutzen Bilanz als Negativkosten auftauchen. Ich werden mich im Folgenden diesem Verfahren nicht anschließen, denn es basiert auf einer nicht bewiesenen und fragwürdigen Annahme.

Bei der Kostenanalyse sollte zwischen 3 verschiedenen Sektoren unterschieden werden:
1. Kosten für den Anlagenbau.
Dazu werden nicht nur die Investitionskosten in neue Wandlungsanlagen (z.B. Windkraftanlagen und Photovoltaikanlagen) gezählt, sondern auch die Kosten für den Ausbau der Stromnetze und den Aufbau bisher nicht vorhandener Energiespeicher.
2. Kosten für den Strukturwandel.
Da erneuerbare Energien im Wesentlichen als elektrische Energie genutzt werden können, muss die bisherige Wirtschaftsstruktur fast vollständig erneuert werden. Es müssen z.B. Kraftfahrzeuge vom chemischen auf elektrischen Antrieb, Gebäudeheizungen vom Brennstoffbetrieb auf Wärmepumpen umgestellt werden.
3. Finanzierungskosten.
Diese Investitionskosten können sicherlich nicht aus dem Staatshaushalt bezahlt werden, sondern müssen durch Anleihen auf dem Kapitalmarkt finanziert werden. Die dabei auftretenden Kosten hängen u.A. vom Zinssatz ab, der sich wiederum an der Staatsverschuldung orientiert - eine besondere Last für die hoch verschuldeten Länder der Euro-Zone.

In jedem dieser 3 Sektoren existieren große Unsicherheitsquellen, so dass die Angabe von Kosten immer nur innerhalb eines bestimmten Unsicherheitsintervalls möglich ist. In einer der unten vorgestellten Kostenanalysen (A) ist das der Fall, in einer anderen (B) nicht. Ich werden in jedem Fall immer die obere Kostengrenze zitieren, denn die Erfahrung lehrt (jedenfalls für Deutschland), dass die geplanten Kosten immer  überschritten werden.

Vielleicht sind das auch die Gründe, weshalb die deutsche Bundesregierung selbst keine Kostenanalyse der von ihr initiierten Energiewende vorgelegt hat. Dieses Versäumnis ist vom Bundesrechnungshof heftig kritisiert worden, ohne dass dies zu einer Abhilfe geführt hätte: Man kann daraus nur folgern, dass die deutsche Bundesregierung selbst keine klare Vorstellung von den zu erwartenden Kosten hat und mehr der Vorstellung der Medien zuneigt, welche die Energiewende als "Experiment" bezeichnen1).

Immerhin wurde sie gezwungen, die Kosten offen zu legen, die zwischen 2000 und 2014 durch das "Erneuerbare Energien Gesetz (EEG)" entstanden sind, siehe Tabelle rechts. Dies sind zwar nur die Kosten, welcher der Nutzer (also hauptsächlich die privaten Haushalte) zu tragen hatte, das EEG wurde aber eingeführt, um die Investitionskosten in den Anlagenbau für erneuerbare Energien über 20 Jahre hinweg zu finanzieren, ohne den Staatshaushalt zu belasten. Sie berücksichtigen nur einen Teil der Kosten, die in den Sektoren 1 und 2 enthalten sind: Es fehlen der Sektor 2 und die teuersten Teile des Sektors 1, nämlich der Ausbau des Stromnetzes und die Errichtung der erforderlichen Energiespeicher.

Trotzdem kann diese Aufstellung dazu dienen, wenigstens eine grobe Vorstellung davon zu erhalten, welche Kosten die Energiewende verursachen wird. Dazu wurden die Kosten in Bezug gesetzt zum jährlichen BIP (bezogen auf 2010), siehe letzte Spalte in der Tabelle rechts. Sie sind seit dem Jahr 2000 ständig gestiegen und würden, wenn linear extrapoliert, bis zum Jahr 2050 einen Stand von ca. 3.5% ± 2% des BIP erreichen. Bei Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich nur um Teilkosten handelt, liegt dieser Wert sehr nahe an den oben angegebenen Kosten, die infolge der Verknappung der fossilen Energiereserven entstehen.

Jahr
Kosten
(Mrd. €)
rel. zu
BIP (%)
akkum. Kosten
(Mrd. €)
2000
0.7
0.03
0.7
2001
1.1
0.05
1.8
2002
1.7
0.07
3.5
2003
1.8
0.08
5.3
2004
2.4
0.10
7.7
2005
2.8
0.12
10.5
2006
3.3
0.13
13.8
2007
4.3
0.17
18.1
2008
4.7
0.18
22.8
2009
5.3
0.21
28.1
2010
9.4
0.36
37.5
2011
13.2
0.49
50.7
2012
17.0
0.63
67.7
2013
20.4
0.76
88.1
2014
23.6
0.87*
111.7
              * nur geschätzt
Entwicklung der Gesamtkosten aus der EEG Umlage von 2000 bis 2014.

Die prognostizierte Entwicklung bis zum Jahr 2035 kann man in dieser Abbildung finden. Demnach werden die Kosten um das Jahr 2020 ihr Maximum mit ca. 32 Mrd. € erreichen, danach aber nie wieder geringer als 20 Mrd. € werden.2)
Es existieren aber auch Kostenberechnungen von 2 unabhängigen Institutionen, die sich als Hauptaufgabe mit den Kosten für den Klimaschutz (also der Vermeidung von CO2 Emissionen) beschäftigen. Bei diesen Institutionen handelt es sich um:

A: Energy and Environmental Economics, Inc. (San Francisco/USA)

B: Fraunhofer Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (Kassel/BRD)

Beide Publikationen stammen aus dem Jahr 2014 und gelten bis 2050, zur Vereinfachung werde ich die Reichweite auf die 35 Jahre von 2015 bis 2050 begrenzen. Bei der Kostenanalyse der deutschen Energiewende kommt erschwerend hinzu, das diese gleichzeitig auch den Ausstieg3) aus der Kernenergie vorsieht. Dies ist in den USA noch kein Thema, daher beschäftigt sich die Analyse A mit vier verschiedenen Szenarien:

A1: Die bevorzugte Nutzung erneuerbarer Energien.
A2: Die bevorzugte Nutzung der Kernenergie.
A3: Die weitere Nutzung fossiler Energien, verbunden mit der CCS Technologie.
A4: Einen Energiemix aus diesen drei Szenarien.

Die Analyse B dagegen kennt nur ein Szenarium:

B1: Den fast vollständigen Austausch aller fossilen durch erneuerbare Energieträger.

Allen Szenarien ist gemeinsam, dass die vorhandenen Energieträger fast ausschließlich verstromt werden, die Energieversorgung also auf die Deckung des Endenergiebedarfs(EEB) umgestellt wird, im Gegensatz zur heutigen Deckung des Primärenergiebedarfs(PEB). Wie hoch der Anteil eines Energieträgers bei der Versorgung mit Endenergie ist, variiert zwischen den Szenarien:
A1

A2

A3

A4

B1

Die Energieträger sind durch folgende Farben gekennzeichnet:

fossil


fossil
+CCS


Kern-
kraft


Bio-
masse


Wind
onshore


Wind
offshore


solar

Wasser

sonst.
Relative Anteile einzelner Energieträger an der Deckung des EEB in verschiedenen Szenarien für 2050.

Diese Anteile sind mitbestimmend für die Berechnung der Investitionskosten in die Energieversorgung, entscheidender sind aber die Rahmenbedingungen, die sich aus der Entwicklung der Volkswirtschaft bis zum Jahr 2050 ergeben. Relativ zum Jahr 2015 werden in den einzelnen Szenarien die folgenden, in der Tabelle unten spezifizierten  Rahmenbedingungen für 2050 angenommen, die letzte Zeile zeigt die sich daraus ergebenden zusätzlichen Energiekosten relativ zum BIP(2015):
Die Kostenberechnungen führen daher zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen, je nach dem, welche Institution sie durchgeführt hat und welches Szenarium der Berechnung zugrunde gelegt wurde. Die zusätzlichen Kosten sind am geringsten im Szenarium B1, aber das ist nicht verwunderlich: In diesem Szenarium wird eine EEB Reduktion bis 2050 von -60% angenommen, das ist ca. 3mal so hoch wie in den Szenarien A1 bis A4.


A1
A2
A3
A4
B1
Bevölkerung
136%
k.A.
BIP
244%
k.A.
Energieeffizienz
304%
316%
298%
309%
k.A.
EEB
81%
78%
82%
75%
40%
zusätzl. Kosten
relativ zu BIP(2015)
5.9%
2.9%
3.2%
4.1%
1.5%
Rahmenbedingungen und Ergebnisse für 2050 in den Szenarien A1 bis A4 und B1.
Wird dies berücksichtigt, sind alle Ergebnisse ähnlich, aber die Kosten sind am geringsten, wenn die Kernenergie zum Klimaschutz eingesetzt wird. Die obige Tabelle führt aber auch zu Fragen, anhand derer die ganze Problematik einer Energiewende und damit einer zukünftigen Energieversorgung deutlich wird.

Eine Steigerung des Wohlstands BIP bei gleichzeitiger Absenkung des Endenergiebedarfs EEB ist nur möglich, wenn die Energieeffizienz erhöht werden kann. In den Szenarien A1 bis A4 bedeutet dies, bezogen auf den Primärenergiebedarf PEB, einen Wert von
e_e 1.2 für 2050.
In energie2 wurde darauf hingewiesen, dass die historische Entwicklung von e_e eher dafür spricht, dass
e_e < 1
gilt. Prinzipiell spricht nichts dagegen, dass diese Grenze überschritten werden kann, aber dies ist nur eine Hoffnung, da es keine fundierten Untersuchungen dazu gibt, wie das zu bewerkstelligen wäre.

In dem Szenarium B1 fehlt die Angabe der äquivalenten Rahmenbedingungen vollständig. Die Beschränkung auf EEB(2050) = 0.4 EEB(2015) = 1 TWh/a trägt eher der Tatsache Rechnung, dass das Flächenangebot für eine bessere Endenergieversorgung in Deutschland zu klein ist: "Diese Tatsache engt die Freiheitsgrade politischer Entscheidungen deutlich stärker ein, als die aktuelle politische Diskussion vermuten lässt"(Zitat auf Seite 12). Dass Deutschland wegen seiner klimatischen und geografischen Gegebenheiten große Nachteile hat bezüglich der Versorgung mit erneuerbaren Energien, wurde ausführlich in energie2 behandelt. Dies konstituiert natürliche Grenzen, welche niemand, auch nicht der deutsche Gesetzgeber, überschreiten kann4).
Es kommt hinzu, dass bei der Berechnung von EEB(2050) zu optimistische Annahmen gemacht wurden, und zwar bei der Festlegung der Kapazitätsfaktoren . In der Tabelle rechts werden diese Werte verglichen mit den tatsächlichen Werten, welche in Deutschland im Jahr 2013 erreicht wurden: Die angenommenen Werte sind immer größer als die tatsächlichen Werte mit Ausnahme der Biomasse, wo offensichtlich ein Druckfehler vorliegt (50 TWh/a erzeugte Leistung bei 50 GW installierter Leistung, Seite 14). Man erinnere sich: Je kleiner um so größer ist die Flächenanforderung, oder um so weniger Energie wird auf einer vorhandenen Fläche gewandelt5).


Wasser
Wind
Photo-
voltaik
Bio-
masse
(2050)
0.55
0.39
0.11
0.11
(2013)
0.42
0.17
0.10
0.75
Die angenommenen Werte von im Jahr 2050 und die tatsächlich erreichten Werte im Jahr 2013.

Deshalb ist verständlich, dass die 2 entscheidenden Fragen im Szenarium B1 gar nicht angesprochen werden: Wie viele Menschen werden im Jahr 2050 in Deutschland leben und wie groß wird ihr Wohlstand sein?

Das Resultat dieses Kapitels lässt sich so zusammenfassen:
Unter der Voraussetzung, dass sich Bevölkerung und Wohlstand normal entwickeln, verursacht die Umstellung der Energieversorgung von mehrheitlich fossilen auf erneuerbare Energieträger bis 2050 zusätzliche Kosten von jährlich 5% ± 3% des Bruttoinlandprodukts.
Bei den meisten Lesern wird dies kein Erschrecken auslösen, denn 5% erscheinen nicht sehr viel. Aber das liegt an der Bezugsskala - wählt man statt der den Bundeshaushalt 2014, so müsste etwa die Hälfte dieses Haushalts für die Umstellung aufgewendet werden, und zwar jährlich. Dies ist eine Zumutung an die Gesellschaft und ein nur schwer zu erreichendes Ziel. Zusätzlich zu den finanziellen Kosten existieren aber auch noch die materiellen Kosten und die natürlichen Grenzen, und diese machen das Erreichen des Ziels unmöglich.


1) Man mache sich klar: Das "Labor" für dieses "Experiment" ist die deutsche Volkswirtschaft! Erinnert sich Frau Merkel an den Text ihres Amtseids, auf den sie als Bundeskanzlerin vereidigt wurde?
2) Der Hauptgrund für diese Entwicklung ist die 20jährige Vergütungsgarantie nach Inbetriebnahme einer Anlage auf der Basis der erneuerbaren Energien.
3) Die Kernenergie ist CO2 emissionsfrei, sie unterstützt also das angestrebte Ziel des Klimaschutzes. Man kann aber inzwischen wohl davon ausgehen, dass die deutsche Energiewende als Hauptziel den Ausstieg hat, wobei das Ziel des Klimaschutzes auf der Strecke geblieben ist.
4) In den USA liegen die natürlichen Grenzen wesentlich niedriger und haben deswegen auch eine weitaus geringere Bedeutung.
5) Der Kapazitätsfaktor berücksichtigt die klimatischen Eigenschaften eines Standorts. Technische Entwicklungen werden mithilfe des Wirkungsgrads der Energiewandlung berücksichtigt, über dessen Entwicklung keine der Szenarien eine Aussage macht .