Unkonventionelle Energieträger




Ergänzungen
 Mitte 2020: 
Daten update

In Zeiten einer steigenden Energieverknappung mit stetig anwachsenden Energiepreisen blicken viele Menschen auf die "unkonventionellen Energieträger" und hoffen auf die Wunder, welche ihnen von den Medien vorgegaukelt werden. Es ist kaum zu glauben, aber eine Mehrheit der befragten US-Amerikaner meint, dass "Di-Lithium-Kristalle" alle zukünftigen Energieprobleme lösen werden, und fordert, mehr Geld in die Entwicklung dieser Option zu investieren. Dass ähnliche Befragungen in Deutschland stattgefunden haben, ist mir nicht bekannt. Aber es würde mich nicht wundern, wenn die Antworten ähnlich von Nachrichten aus den Medien dominiert wären. Und wer nach weiteren Utopien in Fragen unserer Energieversorgung sucht, der wird hier reichlich bedient.

Hält man sich allerdings an die Realitäten, so zählen zu den unkonventionellen fossilen Energieträgern im Wesentlichen
Und im Kapitel 1.1 wurde dargestellt, welche Bedeutung sie bis zum Jahr 2019 für die globale Versorgung mit Primärenergie spielten.
In Energie2 haben wir die Bedeutung der unkonventionellen Energieträger allerdings nicht weiter diskutiert, und zwar, weil ihre Verwendung erhebliche Umweltrisiken birgt. Diese Einschätzung hat sich auch seit der Publikation des Manuskripts Energie2 nicht wesentlich geändert. Aber die anhaltende Verknappung der konventionellen fossilen Energiereserven hat dazu geführt, dass trotz der Umweltrisiken jetzt auch mehr und mehr die unkonventionellen Energiereserven abgebaut werden. Die vormaligen Daten zur Nutzung dieser Reserven standen im Widerspruch zu denen der EIA, ich habe sie daher jetzt durch letztere ersetzt und auch die neueste BP-Statistik benutzt, insbesondere um die Biotreibstoffe zu berücksichtigen. Das Resultat ist in der Abbildung rechts zu sehen, sie zeigt auch die EIA-Prognose für 2035, die leider auch nicht mehr im Internet zu finden ist. Ich habe diese trotzdem in der Abbildung rechts dargestellt, denn sie lässt erkennen, welchem Entwicklungstrend die unkonventionellen Energien folgen:

Augenblickliche und prognostizierte
 Nutzung unkonventioneller Energien in fl
üssiger Form. NGPL bezeichnet Gasflüssigkeiten.
Im Augenblick wird die Entwicklung noch dominiert vom Schieferöl, aber bis 2035 wird dessen Anteil fast vollständig verschwunden sein. Er wird ersetzt werden durch Teersände (siehe unten) und durch Biotreibstoffe, während der Anteil der Gasflüssigkeiten (NGPL)1) i.W. von der Entwicklung der Gasverarbeitung abhängt.

Fl
üssige Kohlenwasserstoffe aus Ölschiefer werden überwiegend in den USA gefördert. Allerdings lohnt sich die Förderung erst, wenn der Erdölpreis >70 USB/bbl ist, und die Fördermenge pro Bohrung nimmt sehr schnell ab. Das impliziert, dass ständig neue Bohrtürme errichtet werden müssen, um die Fördermenge konstant zu halten - in dicht besiedelten Gebieten (wie in Europa) eine Unmöglichkeit.

Gasförmige Kohlenwasserstoffe aus den Schiefervorkommen werden in Zukunft nach Meinung der EIA dagegen die größte Rolle spielen. Sie stellen die einzige Alternative zum konventionellen Erdgas dar. Eine weitere Alternative wäre das Methanhydrat, mit dessen Abbau im Südchinesischen Meer nach Meldungen in der Presse von China begonnen wurde. Ähnliche Pläne gibt es auch in Japan, es ist aber fraglich, ob mit dem Abbau dort in absehbarer Zukunft begonnen wird. Denn etwas ist auch klar: Methan (CH4) ist als Treibhausgas etwa 20mal wirksamer als Kohlendioxid (CO2).

Gasschiefer

Formationen aus Gasschiefer treten weltweit auf, wie aus der Abbildung rechts zu ersehen ist. Auch in Deutschland und Frankreich kommen sie vor. Letzteres hat die Ausbeutung seiner Vorkommen wegen der großen Umweltrisiken aber verboten. Auch in Deutschland ist, wahrscheinlich aus gleichen Gründen, mit einer Ausbeutung bisher nicht begonnen worden. Diese Gründe sind einmal technische Schwierigkeiten, dann aber auch die bereits angesprochenen Umweltrisiken der Gasextraktion, welche in diesem EIA-Artikel beschrieben sind.
Gebiete mit Vorkommen von Gasschiefer auf der Erde3).
Die Technik2) der Gasextraktion wird als "Fracking Process" bezeichnet, er erfordert den Einsatz von viel, mit Umwelt schädlichen Chemikalien versetzten Wassers. Nach alternativen Techniken wird geforscht, ob sie das Umweltrisiko reduzieren, ist sehr fraglich. Auf jeden Fall gibt es in den USA jetzt Pläne, die Einleitung des toxischen Wassers in öffentliche Wasseraufbereitungsanlagen zu verbieten.

Auf der anderen Seite des Atlantiks, in den USA, spielt trotzdem das Erdgas aus Schiefergestein schon heute eine bedeutende Rolle in der Energieversorgung: Die heimischen Gasreserven werden auf 104 · 1012  kWh (104 PWh) geschätzt,  2019 trugen sie mit mehr als 80% zum gesamten Erdgasbedarf der USA bei und dieser Anteil soll auf über 90% bis 2050 steigen4). Ob sich diese Pläne realisieren, hängt u.a. vom Gaspreis - und damit von der Errichtung neuer Gasförderanlagen - ab. Zur Zeit beobachtet man ein Überangebot von Erdgas auf dem USamerikanischen Markt mit der Konsequenz, dass die Gaspreise stetig abnehmen. Dies ist vielleicht auch der Grund dafür, dass die prognostizierten Fördermengen ab 2020 nur noch unwesentlich steigen werden.

Erdgasförderung (Daten und Prognose) in den USA.
Bis 2017 nahm die US-Regierung an, dass auch in Zukunft genügend Schiefergas gefördert wird, um das angestrebten Klimaziel (CPP) zu erreichen. Seit 2017 wird die weitere Gültigkeit des CPP allerdings infrage gestellt. Um ein Nachlassen der Nachfrage auszugleichen, plant die neue US-Regierung überschüssige Schiefergas zu exportieren. Die  Abnehmer (z.B. die EU) und die Technologie (Gasverflüssigung) existieren.

Eine andere Möglichkeit ist die Umwandlung in flüssige Treibstoffe (gas to liquid: GtL-Technologie). Ohne GtL ist f
ür eine umfassende Verwendung von Erdgas in den USA aber Voraussetzung, dass ein großer Teil der US-amerikanischen Mobilität dieses Erdgas auch wirklich nutzt. Davon kann aber z.Z. keine Rede sein, der dominierende Treibstoff aller Verkehrsfahrzeuge sind dort weiterhin Erdölprodukte. Und für diese Treibstoffe sind Teersände von größerer Bedeutung.

Teersände

Bis 2014 hat
das Öl aus kanadischen Teersände einen großen Teil des US-amerikanischen Ölbedarfs gedeckt, ihr Anteil war größer als die Importe aus den Öl fördernden Ländern auf der arabischen Halbinsel. Bei weiter steigendem Bedarf nach und steigenden Preisen für das Erdöl wird erwartet, dass sich der Abbau der Teersände vom Jahr 2008 bis zum Jahr 2020 verdoppelt und bis zum Jahr 2035 sogar verdreifacht haben wird. Ob sich dieses Erwartung bewahrheitet, hängt allerdings auch ab vom Abbau des USamerikanischen Schieferöls, dessen Menge seit 2014 die der Teersände übersteigt.

Zur Zeit liegen in Kanada die größten Abbaugebiete von  Teersänden und Hauptabnehmer sind die USA: 2016 hatte das Angebot etwa 14% des USamerikanischen Rohölbedarf erreicht.

Von der EIA  wurde die Entwicklung dieser Beziehung bis 2035 untersucht, siehe Abbildung rechts. Der kanadische Eigenbedarf sollte sich bis dahin nur wenig verändern, ein großer Teil des Angebots könnte exportiert werden.

Ob aber die Überschussmenge an produziertem Erdöl auch wirklich in die USA geliefert wird, hängt von vielen Faktoren ab:
   Von der Entwicklung der heimischen Vorkommen
   an Schiefer
öl.
   Von der Entwicklung der Erd
ölpreise.
  
Vom Bau neuer
Ölleitungen durch den 
   nordamerikanischen Kontinent.


Prognostizierte Nutzung der kanadischen Energiequellen. Die Entwicklung des Angebots wurde 2016 vom "National Energy Board" untersucht.
Zur Zeit gibt es heftige Proteste gegen insbesondere die "Keystone-Pipeline", deren Bau daraufhin von der Obama-Regierung gestoppt wurde5). Daraufhin hat Kanada gedroht, dieses Erdöl nach China zu liefern, denn die Ladestationen für Tankschiffe liegen relativ nahe zu den Fördergebieten. Aber auch gegen den Bau dieser Ölleitung gibt es Proteste.

Es sollte daran erinnert werden, dass derartige Vorhersagen immer von der Preisentwicklung des Roh
öls auf dem Weltmarkt abhängen. Das gilt nicht nur für die kanadischen Teersände, sondern auch für das USamerikanische Schieferöl. Ein Anzeichen dafür, dass ein Ölpreis von unter 50 USD/bbl nicht mehr attraktiv ist, scheint zu sein, dass große Ölfirmen ihre Investitionen in kanadischen Teersände entweder abschreiben oder verkaufen.

Für die Energieversorgung Europas spielen Teersände wahrscheinlich nicht eine ähnliche Rolle. Aber ihr Abbau verursacht nicht nur Umweltschäden in den Abbaugebieten Kanadas, sondern wird zur globalen Klimaänderung beitragen und ist daher auch für Europa von Bedeutung. In einem Sonderkapitel wird darauf eingegangen.


Sind unkonventionelle Energieträger die Rettung?

Das ist natürlich die Frage, wenn man an den zu erwartenden Niedergang des Abbaus konventioneller Energieträger, insbesondere des Erdöls, denkt. Aber mehrere Fakten sprechen gegen diese Lösung:
  1. Auch unkonventionelle Energien haben, wie die konventionellen Energien, nur eine endliche Reichweite. Was u.U. gelingen könnte, ist ein Hinausschieben (nur um wenige Jahre) des  Zeitpunkts, zu dem eine akute Energieverknappung eintritt.
  2. Im Jahr 2035 erwarten wir einen globalen Primärenergiebedarf von ca. 190 ·  1012  kWh a-1. Alle unkonventionellen Energien, einschließlich der Schiefergasvorkommen, könnten nur etwa 5% dieses Bedarfs decken, wenn die oben gezeigten EIA-Prognosen wirklich eintreten.
  3. Das scheint mir das wichtigste Argument: Die Nutzung unkonventioneller Energien schädigt unsere Umwelt und damit die menschlichen Lebensgrundlagen. Diese voraussehbaren Folgen treten ähnlich auch bei der alkoholischen Gärung auf: Die Hefen, die Zucker in Ethanol wandeln, sterben bei einem Alkoholgehalt von 5% bis 25% an ihren selbst erzeugten Folgeprodukten, weil Ethanol ein Zellgift ist. Dass das auch von unkonventionellen Energien emittierte CO2 das eigentliche Problem ist, bezweifele ich - andere (tatsächliche) Gifte schädigen unsere Umwelt weitaus mehr.
 

1) Unter NGPL versteht man alle, unter Normalbedingungen flüssige Kohlenwasserstoffe, die bei der Verarbeitung von Erdgas entstehen. Ausgenommen davon sind die Gaskondensate ("lease condensates"), welche zusammen mit dem Erdgas gefördert werden und dem Erdöl zugerechnet werden.
2) Eine ganz ähnliche Technik wird auch bei dem HDR-Verfahren in der Geothermie eingesetzt, das in Deutschland einige Erdbeben verursacht hat und von der Bevölkerung deswegen mehrheitlich abgelehnt wird.
3) Die meisten Schiefergesteine mit Erdgasvorkommen enthalten auch Erdöl in der Form von Kerogenen. Letztere werden z.Z. nur in den USA abgebaut.
4) Ich kann auch so gut rechnen um zu erkennen, dass man bei einer Reserve von ca. 100 PWh nicht
über 30 Jahre hinweg jährlich ca 10 PWh/a fördern kann. Entweder ist die Prognose der EIA total falsch, oder es wird angenommen, dass sich die Reserve aufgrund künftiger Explorationen erhöht.
5) Die Trump-Regierung will dieses (und
ähnliche) Projekt offensichtlich wiederbeleben.