Ländervergleich: Einleitung




Ergänzungen
Mitte 2021:
Daten update


Vertraut man deutschen Presseberichten, so befindet sich China auf dem besten Weg, die führende Weltmacht in der Nutzung erneuerbarer Energien zu werden. Dies ist ein Staat mit undemokratischer Regierungsform, der über die größte Einwohnerzahl aller Länder verfügt, nicht zu den eigentlichen ve-Ländern, sondern (nach neuem Sprachgebrauch) zu den "Schwellenländern" gehört, und z.Z. auch der größte CO2 Emittent aller Länder ist. Dies sollte jeden interessierten Leser stutzig machen und war für mich der Anlass, die Situation der Schwellenländer bezüglich ihrer Nutzung erneuerbarer Energien zu untersuchen.

Von diesen Ländern gibt es 4, die sich durch ein besonders hohes wirtschaftliches Wachstum auszeichnen, welches seit dem Jahr 2000 im Mittel um mindestens das Doppelte größer war als das der wichtigsten ve-Länder, siehe Abbildung unten. Diese 4 Länder sind
Brasilien, Russland, Indien China,
sie werden auch als BRIC-Staaten bezeichnet. In ihnen zusammen lebten 2008 etwa 45% der gesamten Weltbevölkerung n.


Die wirtschaftlichen Wachstumsraten der 4 BRIC-Staaten in den Jahren von 2007 bis 2015.
Von der wirtschaftlichen Rezession 2009 (Finanzkrise) waren Indien und die VRChina offensichtlich nicht betroffen, wohl aber Russland und, allerdings in geringerem Maße, Brasilien. In den Jahren vor 2009 und auch noch 2010 lagen die Steigerungsraten des brasilianischen BIP bei über 5%, seit 2010 sind sie merklich eingebrochen. Man kann vermuten, dass dies ein Ergebnis der Wirtschaftspolitik unter der damaligen Präsidentin Dilma Rousseff war, welche auch die Inflationsrate Ende 2011 auf Werte von über 7% getrieben hat. Ein ähnlicher Werte wurde übrigens bereits im Krisenjahr 2009 erreicht und 2021 betrug die brasilianische Inflationsrate über 8%. Mit Hinsicht auf diese Daten kann bezweifelt werden, dass Brasilien (und auch Russland) heute noch von gleicher Bedeutung für die Weltwirtschaft sind, wie Indien und die VRChina.

Es vermittelt ein falsches Bild, wenn die Entwicklung erneuerbarer Energien in den BRIC-Staaten in absoluten Werten betrachtet wird. Angemessener ist vielmehr, diese Werte auf die jeweiligen Bevölkerungszahlen zu beziehen, also den Anteil erneuerbarer Energien pro Einwohner zu betrachten. Weiterhin ist es sinnvoll, diesen so normierten Anteil in Bezug zu setzten zu dem mittleren Primärenergiebedarf PEB jedes Einwohners zur Mitte des 21. Jahrhunderts, welcher in Energie2 mit einem Wert von
PEB/n = 23000 kWh a-1
spezifiziert wurde, wobei etwa 46% dieser normierten Primärenergie von erneuerbaren Energien gedeckt werden müsste. Wie weit sind die BRIC-Staaten von diesem Ziel noch entfernt? In Kap. 3.1 wurden die relevanten Daten für Deutschland und die USA zusammengestellt, diese werden im Folgenden mit den entsprechenden Daten für die BRIC-Staaten und denen der Welt insgesamt verglichen. Man sei sich bewusst, dass dieser Vergleich auf folgenden Prämissen beruht:
  • Der globale Primärenergiebedarf wird im Jahr 2050 2.3 · 1014 kWh a-1 betragen. Sollte er tatsächlich größer sein, sinkt der Anteil erneuerbarer Energien entsprechend.
  • Bis zum Jahr 2050 erreichen ve- und we-Länder ein ähnliches Wohlstandsniveau. Das bedeutet für viele ve-Länder wahrscheinlich einen Verlust an Wohlstand. Im Jahr 2020 hatte Deutschland einen Primärenergiebedarf von PEB/n = 38500 kWh a-1, für die USA betrug dieser Wert 85300 kWh a-1.
Unter diesen Prämissen ergibt der Vergleich die Abbildungen unten:

Die Entwicklung erneuerbarer Energien in den USA, Deutschland und den BRIC-Staaten seit 2000. Die PEB Äquivalenzen sind bezogen auf einen individuellen Primärenergiebedarf von 23000 kWh a-1.

Alle Daten wurden den Veröffentlichungen der EIA und der BP entnommen, sie beziehen sich auf die 21 Jahre im Zeitraum1) von 2000 bis 2020. Berücksichtigt sind die Anteile erneuerbarer Energien, welche in elektrische und chemische Energie umgewandelt wurden. Unberücksichtigt blieben die Anteile der Wandlung in thermische Energie, worunter im Wesentlichen die Verbrennung von Biomasse in privaten Haushalten zu verstehen ist. Wie in Kapitel Kap. 3.1 ausgeführt, ist dieser Anteil statistisch schwierig zu erfassen, insbesondere im Fall von Schwellenländern wie Brasilien. Die Berechnung erfolgte nach der Wirkungsgradmethode, die Daten sind daher direkt vergleichbar mit den im Kap. 1.1 gezeigten Prognosen.

Die Entwicklung erneuerbarer Energien in der Welt bis zum Jahr 2020, linear extrapoliert zum Jahr 2050. Die schraffierte Fläche entspricht einer doppelten Standardabweichung2). Die PEB Äquivalenzen sind bezogen auf einen individuellen Primärenergiebedarf von 23000 kWh a-1.

Zum Vergleich sind in der Abbildung oben die entsprechenden Welt-Daten gezeigt, aber man beachte die Veränderung der Skalen. Extrapoliert man diese Daten linear bis zum Jahr 2050, so hätten erneuerbare Energien dann nur einen Anteil von 8.8±0.7% am prognostizierten Primärenergiebedarf, er wäre dann nur etwa halb so groß wie berechnet3) (siehe unten). Verantwortlich dafür sind die ve-Länder mit ihren großen Bevölkerungszahlen, welche sich einen höheren Anteil erneuerbarer Energien in ihrer Energieversorgung schon finanziell nicht leisten können, denn das Beispiel Deutschland zeigt:
 Erneuerbare Energien sind teuer.
Aus der Abbildung oben links lässt sich klar erkennen:
  • Von allen betrachteten BRIC-Staaten gelingt es Brasilien am besten, seinen Primärenergiebedarf mithilfe erneuerbarer Energien zu decken. Seit 2010 geht deren Nutzung allerdings zurück, im Gleichklang zum gleichzeitigen Rückgang der brasilianischen Wachstumsraten (siehe Abbildung oben).
  • Von den ve-Ländern nehmen die USA und die BRD eine Spitzenstellung in der Nutzung erneuerbarer Energien ein. Im Jahr 2020 war ihre Nutzung etwa gleich groß zu der in Brasilien.
  • Unter den Schwellenländern ist besonders Indien bei der Nutzung erneuerbarer Energien in einer schwachen Position.  Offensichtlich hat sich in diesem Land bezüglich der Nutzung erneuerbarer Energien in den letzten 21` Jahren fast nichts getan.
  • China erlebt seit 2005 einen starken Zuwachs in der Nutzung erneuerbarer Energien, allerdings ist der Zuwachs immer noch klein, wenn er mit dem der BRD verglichen wird.
Natürlich lassen sich aus diesen Trends keine zuverlässigen Aussagen über die zukünftigen Entwicklungen vorhersagen. Wie diese verlaufen, wird zu aller erst von den demografischen und geografischen Besonderheiten eines Lands festgelegt und ob es in der Lage ist, die großen Investitionsmittel bereit zu stellen, welche die Einführung erneuerbarer Energien erfordert. Am Beispiel Brasilien lässt sich der Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und der Nutzung erneuerbarer Energien erkennen.

Denn welche enormen Anstrengungen von den Ländern verlangt werden, das wird deutlich, wenn man die in der Abbildung oben gezeigten Daten linear in die Zeit nach 2050 extrapoliert. Demnach würden den betrachteten Ländern folgende Anteile der Nutzung erneuerbarer Energien als Primärenergie zur Verfügung stehen2):
USA
Deutschland
Brasilien
Russland
Indien
China
34.6±1.7%
35.7±1.0%
25.2±2.0%
7.2±0.6%
1.9±0.1%
15.1±0.9%
Diese Anteile erreichen in keinem Fall die erforderlichen 46%. In den Ländern mit den höchsten Bevölkerungszahlen (China und Indien) erreichen sie gerade oder liegen sogar noch unter dem in Energie2 prognostizierten 15% Anteil. Und diese großen Länder sind dann verantwortlich dafür, welchen Anteil erneuerbare Energien in der Welt insgesamt erreichen (siehe Abbildung oben rechts).


1) Für die Zeiten vor 2000 fehlen verlässliche Angaben über die Wandlung in chemische Energie.
2) Die angegebenen Fehler entsprechen den Standardabweichungen, welche von der linearen Regression mithilfe der 'least-squares-method' berechnet werden.
3) Die tatsächliche Abweichung zwischen den Daten und der Prognose kann u.U. geringer sein, denn die Daten enthalten nicht den Beitrag der thermischen Energie aus erneuerbaren Quellen (siehe Kap. 3.1).