Entropie als Währung




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Anfang 2012
 Ländervergleich


Die Grundlagen für dieses Kapitel  sind dem Buch Energie2 entnommen. Der Methodenvergleich zwischen Ökonomie und Physik lässt erkennen, dass erstere, in ihrer orthodoxen Form, nicht als exakte Wissenschaft angesehen werden kann. Schon deswegen nicht, weil ihr eine essentielle Voraussetzung fehlt - die eindeutige Definition einer Basismaßeinheit. Der USD als Basismaßeinheit erfüllt die notwendigen Kriterien (Unabhängigkeit von Ort und Zeit) auf jeden Fall nicht. Demzufolge ist auch der Wohlstand der Menschheit, gemessen mithilfe des Bruttoinlandprodukts BIP in der Einheit [BIP] = USD, keine zuverlässige Größe, worauf besonders in Kap. 1.1 des Manuskripts Energie3 hingewiesen wurde, wo sie bei der Berechnung der Energieeffizienz eine entscheidende Rolle spielt.

Dass in der heute gängigen Wirtschaftslehre die Prinzipien und fundamentalen Gesetzmäßigkeiten der Naturwissenschaften nicht berücksichtigt werden, ist keine neue Erkenntnis. Seit Beginn des vorigen Jahrhunderts hat es Ansätze gegeben, die orthodoxe Wirtschaftslehre in die physikalische Richtung hin zu erweitern. Ähnliche Versuche in andere Richtungen wurden ebenfalls unternommen, sie alle zusammen ergeben Teilbereiche  der "Heterodoxen Ökonomie". Aus diesen sind für unsere Zwecke interessant die "Bioökonomie" und die "Technokratie". Insbesondere im Rahmen der Technokratie gab es Bemühungen, den USD als Basismaßeinheit abzulösen durch eine global gültige Einheit, welche an die sog. CO2-Währung gekoppelt ist.

Dieses Kapitel erhebt nicht den Anspruch, eine neue Lehre im Rahmen der Heterodoxen Ökonomie zu entwickeln. Es geht allein um die Frage, wie man die Basismaßeinheit jeder Ökonomie so an die physikalische Maßeinheiten koppeln kann, dass die Anforderungen einer exakten Wissenschaft erfüllt werden. Ausgangspunkt ist das Bruttoinlandprodukt BIP, welches gewöhnlich in der Maßeinheit USD angegeben wird, welches aber, physikalisch gesehen, entscheidend von unserer Fähigkeit abhängt, Entropie S erzeugen zu können. Wie in Kap. 2.1 diskutiert, betrachten wir hier allein das reale Bruttoinlandprodukt, welches definiert ist als
BIP = Gv = G - Gm = G ( 1 - ) (1)
Dabei sind (siehe Kap. 2.1):
Gv die vollwertige Geldmenge,
Gm die minderwertige Geldmenge,
G = Gv + Gm die totale Geldmenge,
= Gm / (Gv + Gm) die Verschuldung.

Die Einheit der Geldmenge wird gekoppelt an die Einheit der Entropie mittels der Definitionsgleichung
G = f(S). (2)
Man mache sich klar, dass es sich bei dieser Gleichung um eine Definition handelt, welche ein alternatives Maßsystem festlegt, so, wie es in der Physik bei der Festlegung des Basismaßsystems üblich ist. Ob diese Definition besser ist als eine andere, lässt sich nur an den Erfolgen erkennen, mit denen Messungen und Beobachtungen in der Ökonomie realitätsnah beschrieben werden können. In der einfachsten Form ist die Gleichung (2) linear, es gilt also
G = S.
Und da die Messskala neu festgelegt werden muss, kann man = 1 setzen. Dies ergibt eine neue Basismaßeinheit mit dem Namen
[BIP] = [G] = Entro,
um den Zusammenhang mit der Entropie auch namentlich zu erkennen.
 
Gemäß ihrer Definition entsteht Entropie bei der Wandlung1) der Energie Q = W (unter Berücksichtigung der Energieerhaltung), wenn ein System mit Temperatur T in ein System mit der Umgebungstemperatur T0 übergeht,
S = W (1/T0 - 1/T) W/T0,
so lange T >> T0 gilt. Bei der Berechnung der Entropie für ökonomische Probleme sind jedoch folgende Tatsachen zu berücksichtigen:
  • Die aus der Eingangsenergie Wi maximal erzeugbare Entropie Smax steht nur zum Bruchteil der Menschheit zur Verfügung. Sämtliche anderen Prozesse auf der Erde erfordern ebenfalls ihren Anteil (1 - ) an der maximalen Entropie, wenn die Lebensbedingungen auf der Erde nicht grundlegend und irreversibel verändert werden sollen.
  • Entscheidend für die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse ist die Nutzenergie W = W4, welche aber erst aus dem Bruchteil Wi der Eingangsenergie gewandelt werden muss. Dabei geht der Entropieanteil Sloss verloren, welcher dem Nutzungsgrad der Wandlung entspricht:       Sloss = (Wi/T0) (1 - ).
Es gilt daher für die, dem Menschen zur Verfügung stehenden Entropie
S = Smax - Sloss = (Wi/T0) ,
und für das reale Bruttoinlandprodukt2), gemessen in der Einheit Entro, ergibt sich
BIP = (Wi/T0) ( 1 - ), (3)
wobei wir davon ausgehen können, das die Umgebungstemperatur T0 nur wenig veränderlich, also konstant ist und in den Skalenfaktor integriert werden kann: Die neue Währung wird abhängig von der zur Verfügung stehenden Energie Wi.

 Vergleicht man das Welt-BIP in der Einheit Entro mit dem gleichen in der gängigen Einheit USD, so ergibt aus diesem Vergleich der Umrechnungskurs zwischen Entro und USD. Natürlich übernimmt dieser Wechselkurs die Eigenschaften des USD: Er ist abhängig von Ort und Zeit.

Für eine Vorhersage zur Entwicklung des menschlichen Wohlstands ist es jedoch von größerer Bedeutung, dass die fundamentale Gleichung (3) unabhängig davon gilt, ob es sich bei der zur Verfügung stehenden Energie Wi um fossile oder erneuerbare Energien handelt. Die Werte der in Gleichung (3) auftretenden Größen sind allerdings für diese beiden Fälle drastisch verschieden, wie aus der Tabelle rechts ersichtlich ist.


fossil
erneuerbar
*)
1
0.001
Wi **) W(foss)
(variabel)
10000 W(foss)
(konstant)
  ***) 0.3
0.01
Die von der Eingangsenergie abhängigen Parameterwerte in der Gleichung (3)

Einige Bemerkungen zu der Tabelle oben rechts:
*) Für die fossilen Energien ist =1, weil die Menschheit diese Energieform ausschließlich nutzt. Für die erneuerbaren Energien ist der -Wert dem Buch Energie2 entnommen.
**) Die jährliche Energie, die von der Sonne auf die Erde eingestrahlt wird, ist etwa 10000mal größer als die zu Beginn des 21. Jahrhunderts gewandelten fossilen Energien.
***) Der -Wert für fossile Energien wurde dem Buch Energie2 entnommen. Im Fall der erneuerbaren Energien sind maßgeblich die -Werte, welche bei der Wandlung von Wi in das entsprechende Primärenergieäquivalent W(ernb) erreicht werden. Dies sind für die
Windenergie = 0.07,
Fotovoltaik = 0.01,
Biomasse  = 0.004.
Diese Werte werden weiter reduziert durch die Wandlung W(ernb) -> W4 , so dass sich, gemittelt über alle Möglichkeiten, ein Wert von ca. = 0.01 ergibt. Demnach wäre, bei ausschließlicher Verwendung erneuerbarer Energien, das globale Bruttoinlandprodukt nur noch etwa 1/3 so groß wie jenes, das die Welt mithilfe fossiler Energien zu Beginn des 21. Jahrhunderts erreichte. Noch entscheidender ist, dass eine Steigerung des Welt-BIP mithilfe von Wi nicht weiter möglich ist, weil die Solarenergie einen konstanten Wert besitzt.
 
Ein anderer wichtiger Parameter, welcher die Höhe des erreichbaren BIP, also den Wohlstand der Menschheit bestimmt, ist der Umfang der Verschuldung :
Mit wachsender Verschuldung nimmt der reale Wohlstand ab.
Diesem Abwärtstrend kann im Fall der erneuerbaren Energien nur durch eine Vergrößerung des Nutzungsgrads begegnet werden, ein vermutlich nicht besonders aussichtsreiches Unterfangen. Viel näher liegt die Vermutung, dass die Menschheit wachsenden Wohlstand durch eine Vergrößerung des -Werts zu erreichen versucht, und damit ihre Umwelt dauerhaft zerstört.

Im Falle fossiler Energien kann einer wachsenden Verschuldung mit einer Vergrößerung des Energiebedarfs begegnet werden. Dies entspricht der tatsächlich zu beobachtenden Entwicklung: Nach Kap. 1.1  des Manuskripts Energie3 wuchs der Energiebedarf in der Dekade seit dem Jahr 2000 um etwa 30%. Trotzdem darf, um ein positives Wachstum zu erreichen, die Verschuldung nicht einen bestimmten Grenzwert überschreiten. Der Zusammenhang3) zwischen steigendem Energiebedarf D(Wi) = 1 + dWi/Wi 1 + (Wi) und steigenden Schulden D() = 1 + d/   1 + () lässt sich aus Gleichung (3) herleiten und sieht wie folgt aus:
D(Wi) > 1 + (D(Wi)D() - 1) .
Diese Ungleichung ergibt, bei Vorgabe von einem der Parameter, einen Zusammenhang zwischen den beiden anderen, so dass trotz Verschuldung ein positives Wachstum erreicht werden kann.
Beträgt z.B. die Steigerung des Energiebedarfs D(Wi) = 1.03 jährlich, so besteht ein Zusammenhang zwischen Verschuldung und ihrer Zunahme D(), wie er in der Abbildung rechts dargestellt ist. Die grüne Fläche kennzeichnet den Bereich, in dem bei gegebener Verschuldung trotzdem ein positives Wachstum möglich ist. Liegt die Verschuldung und der jährliche Verschuldungsanstieg (= Haushaltsdefizit) im roten Bereich, ergibt sich trotz eines Energiezuwachses von jährlich 3% ein negatives Wachstum.
Der erlaubte (grün) Verschuldungsanstieg bei gegebener Verschuldung und bei einer Zunahme von 1.03 des jährlichen Energiebedarfs
Danach ist ziemlich offensichtlich, dass bei einer Staatsverschuldung von 70% eine weitere Verschuldung praktisch ausgeschlossen werden muss, wenn der Wohlstand eines Lands nicht abnehmen soll.

Deutschland und die USA haben, neben vielen anderen Staaten, mit ihrer Politik zur Bewältigung der Finanzkrise diese Staatsverschuldung längst erreicht. Andere Länder stehen besser da, wie die Abbildung rechts zeigt. Schweden hatte im Jahr 2010 sogar ein positives Haushaltsdefizit. d.h. es hat weniger ausgegeben als es eingenommen hat. Bezogen auf die Haushaltskriterien der EU (blaue gestrichelte Linie) haben allerdings alle der gezeigten EWU-Länder, mit Ausnahme von Finnland, diese Kriterien verfehlt. Trotzdem haben alle Länder im Jahr 2010 ein positives Wachstum ausgewiesen. Sind die obigen Schlussfolgerungen also falsch?
Die Verschuldung und das Haushaltsdefizit ausgewählter Länder in % ihres BIP im Jahr 2010
Es sollte bedacht werden, dass sich diese allein auf solche Länder beziehen, welche im physikalischen Sinn als abgeschlossen betrachtet werden müssen. Aufgrund der Globalisierung des Handels trifft diese Charakterisierung für kein Land zu. Aber wir gelangen zu der weiteren Schlussfolgerung, dass ein positives Wachstum in hoch verschuldeten Ländern nur durch den Außenhandel mit solchen Ländern ermöglicht wird, welche ihre Haushalte in Ordnung halten. Das sollten diejenigen bedenken, welche einer weltweiten Staatsverschuldung das Wort reden.


1) Die Energie W ist i.A. eine vollwertige Form der Energie, Q dagegen eine minderwertige Form, d.h. ihr Exergiegehalt ist abhängig von der Temperatur T. Daher kann W zwar vollständig in Q umgewandelt werden, aber dabei geht ihr Exergiegehalt vollständig verloren, wenn T = T0.
2) Welchen Wert das reale  BIP in einem Land wirklich erreicht, wird bestimmt von den Standort abhängigen Parametern in Gleichung (3). Dies sind im Wesentlichen der Nutzungsgrad und die Verschuldung , während die Energie Wi im Fall erneuerbarer Energien einen festen Wert besitzt und nur im Fall fossiler Energien von den noch vorhandenen Reserven und der Kaufkraft des Lands bestimmt wird.
3) Das Verhältnis dX/X ist bis auf wenige Prozente identisch mit dem Wachstum (X).