Der Öko-Report




Ergänzungen
Anfang 2015:
Daten update 
EIA 20151)

Hinter diesem Titel verbirgt sich:

Das Energiewende-Szenario 2020
Ausstieg aus der Atomenergie
Einstieg in Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung

Untersuchung im Auftrag der Bundestagsfraktion und der Landtagsfraktion NRW von Bündnis90/Grüne sowie der Heinrich-Böll-Stiftung

Herausgegeben vom Öko-Institut e.V. im März 1996

Dieser Report steht nicht im Internet zur Verfügung und es ist fraglich, ob er noch vom Buchhandel bezogen werden kann2). Wir wollen ihn trotzdem hier behandeln, denn er bildet die Grundlage für viele andere Lösungsansätze, wie z.B. dem der Heinrich-Böll-Stiftung, und man kann davon ausgehen, dass der Öko-Report die Energiepolitik der deutschen Bundesregierungen seit 1998 maßgeblich mitbestimmt hat.

Wie der Titel besagt, werden in diesem Report folgende Ziele definiert:
  1. Ausstieg aus der Kernenergie3),
  2. Klimaschutz durch Reduktion des CO2-Ausstoßes bei der Energiewandlung,
  3. nachhaltige Energiepolitik durch Förderung der erneuerbaren Energien.
Um diese Zielvorgaben zu erreichen, werden der Politik folgende Maßnahmen vorgeschlagen:
  • Realisierung von Einsparpotenzialen im Energiebedarf der privaten Haushalte, der Kleinverbraucher, der Industrie und des Verkehrs (siehe Energie2).
  • Umschichtung von Finanzmitteln aus dem Bereich der fossilen Energien in den Bereich der erneuerbaren Energien, die  mithilfe dieser Finanzmittel verstärkt gefördert werden können.
  • Einführung einer besonderen "Energiesteuer", welche sowohl durch Energieverteuerung die Sparmaßnahmen unterstützt, wie auch zusätzliche Finanzmittel zur Förderung erneuerbarer Energien erschließt.
Welche Auswirkungen diese Maßnahmen auf die Entwicklung des Energiebedarfs von Deutschland bis zum Jahr 2020 haben, sind im Öko-Report im Detail berechnet worden. Das wichtigste Ergebnis ist wohl, dass sich in den einzelnen Bedarfssektoren so viel Energie einsparen lässt, dass ein sofortiger Ausstieg aus der Kernenergie möglich ist, ohne dass die dadurch entstehende Energielücke durch die anderen fossilen Energieträger gefüllt werden muss. Ganz im Gegenteil, auch bei den fossil biogenen Energieträgern ließe sich der Verbrauch noch so stark reduzieren, dass die vorgegebenen und zugelassenen Mengen des CO2-Ausstoßes erreicht werden, wobei der vermehrte Einsatz des Erdgases anstelle von Kohle und Erdöl eine wichtige Rolle spielt. Im Einzelnen belaufen sich die Bedarfsreduktionen an Energie im Zeitraum von 1995 bis 2020 bei
  • privaten Haushalten auf 49%,
  • Kleinverbrauchern auf 26%,
  • Industrie auf 10%,
  • Verkehr auf 22%.
Das bedeutet, dass die Hauptlast bei den Maßnahmen zur Energieeinsparung von den privaten Haushalten zu tragen wäre. Und dass deswegen, weil die Bedarfsreduktionen im Bereich Raumwärme durch den verstärkten Einsatz der Kraft-Wärme-Kopplung und der dezentralen Energieversorgung besonders hoch sind.

In der Abbildung rechts ist gezeigt, wie stark sich die berechneten Reduktionen auf den Bedarf an Primärenergie in Deutschland auswirken, und durch welche Energieträger dieser Bedarf gedeckt wird. Gleichzeitig zeigt die Abbildung auch, wie sich der Primärenergiebedarf in Deutschland wirklich entwickelt hat. Der tatsächliche Bedarf in dem Zeitraum von 1990 bis 2013 ist praktisch konstant geblieben und liegt bei etwa 4 · 1012 kWh a-1. Diese Angaben stammen aus 2 verschiedenen Quellen, der Energy Information Administration und der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen samt der darauf basierenden Daten aus Kap. 3.1. Beide Angaben unterscheiden sich im Mittel um etwa 5%. Dies mag zunächst nicht sehr viel erscheinen, liegt aber in dem Bereich, mit dem heute die erneuerbaren Energien zur Deckung des Primärenergiebedarfs in Deutschland beitragen.


Die vom Öko-Institut berechnete Entwicklung des deutschen Primärenergiebedarfs (farbig) und die tatsächliche Entwicklung bis zum Jahr 2012/15 (braune Kurven, die 2 verschiedenen Quellen entnommen sind).
Der Grund für die Differenzen ist unklar4): Zwar besitzen die Angaben verschiedene Maßeinheiten, aber eine Nachprüfung ergab, dass die Umrechnung korrekt durchgeführt wurde. In der Abbildung sind daher beide Angaben gezeigt, entweder braun (EIA) oder hellbraun (AGEB). Interessant ist auch, dass, bezogen auf einen konstanten Primärenergiebedarf in Deutschland, der Beitrag der erneuerbaren Energien zur Deckung dieses Bedarfs im Jahr 2020 nach den Berechnungen des Öko-Instituts nur ca. 12% beträgt. Dieser Anteil ist nur etwa doppelt so groß wie er im Jahr 2006 wirklich war (siehe Kap.3.1). Es ist nicht total ausgeschlossen, dass sich diese Steigerung in den nächsten 14 Jahren wirklich erreichen lässt, wenn erneuerbare Energien so massiv gefördert und subventioniert werden, wie es in dem Öko-Report vorgesehen ist. Und weiterhin ist dieser Anteil noch nicht so hoch, dass das Problem der Energiespeicherung ein zusätzliches Hinderniss für die Einführung erneuerbarer Energien darstellt.

Eine weitere interessante Frage ist, warum die Berechnungen des Öko-Instituts der tatsächlichen Entwicklung des Primärenergiebedarfs in Deutschland bis zum Jahr 2013 so wenig entsprechen. Denn an dem Willen der Bundesregierungen, den Empfehlungen des Instituts zu folgen, hat es sicherlich nicht gefehlt. Es wurden
  • die Energiesteuer = Ökosteuer eingeführt,
  • die Förderung des heimischen Kohlebergbaus reduziert und dafür
  • die Subventionierung der erneuerbaren Energien verstärkt.
Zu untersuchen, warum diese Maßnahmen nicht zu der erwarteten Energieeinsparung geführt haben, sollte dem Öko-Institut selbst überlassen bleiben. Es darf aber die Vermutung geäußert werden, dass der prinzipielle Grund der ist, dass eine radikale Umstrukturierung der Energieversorgung nicht durch Regierungsbeschlüsse verordnet, sondern nur durch den Markt erzwungen werden kann. Würden z.B. die Energiepreise aus einer dezentralen Energieversorgung wesentlich geringer sein als die aus einer zentralen Energieversorgung, würde erstere sich im Markt durchsetzen und zu der berechneten Energieeinsparung führen, falls die Berechnungen des Öko-Instituts korrekt sind. Eine generelle und staatlich verordnete Erhöhung der Energiepreise, wenn sie auch noch hauptsächlich die privaten Haushalte, also die Wähler, trifft, ist in einem demokratisch regierten Land nicht durchsetzbar. Und falls solche Preiserhöhungen nicht global erfolgen, besteht immer die Gefahr, dass Energie-intensive Industrien in Länder mit niedrigen Energiepreisen abwandern, mit den entsprechenden Folgen für die Hochpreis-Länder.

Aber wahrscheinlich ist die Aussage richtig, dass eine merkliche Reduktion des Primärenergiebedarfs in Deutschland, wenn nicht durch die Energiekrise selbst verursacht, nur durch eine gleichzeitige Verkleinerung der Bevölkerungszahl zu erreichen ist. Dies allerdings hat die in Energie2 berechneten Probleme zur Folge, welche die derzeitige Bundesregierung eher dazu veranlassen, die Geburtenrate in Deutschland durch Fördermaßnahmen zu erhöhen, als an den damit verbundene Anstieg des Energiebedarfs zu denken.


1) EIA 2015 enthält Daten zum deutschen Primärenergiebedarf zwischen den Jahren 1980 und 2012 einschließlich. Abweichungen im Prozentbereich gegenüber älteren Daten sind vorhanden, aber insbesondere die Abweichungen gegenüber den Daten der AGEB bleiben bestehen.
2) Herr Aicke Hinrichs vom Mathematischen Institut der Universität Jena hat mir mitgeteilt, dass dieser Report noch im Internet zu finden sei. Bei einem flüchtigen Vergleich ist dieser Report dem mir vorliegenden Original sehr ähnlich, mit einer bezeichnenden Ausnahme: Im Kapitel 8 (Fazit) taucht das Unterkapitel 8.1.1 (Atomkraft: Kein Verzug beim Ausstieg) nicht mehr auf, es wurde ersetzt durch das neue Unterkapitel 8.1.1 (Grenzen regenerativer Energiequellen)[sic!].
3) Wissenschaftlich betrachtet bezeichnet die Atomenergie die Energie der Elektronen  in der Atomhülle, was aber mit der "Atomenergie" im Öko-Report gemeint ist, das ist die Energie der Nukleonen im Atomkern, welche daher besser mit dem Begriff "Kernenergie" bezeichnet wird.
4) Siehe hierzu auch die Fußnote in Kap. 3.1.2.