Wasserenergie




Ergänzungen
Ende 2020: Daten update

Die kinetische Energie, welche im fließenden Wasser steckt, kann auf verschiedene Arten und mit verschiedenen Methoden genutzt werden (siehe Energie2):
  1. Wasserkraftwerke,
  2. Wellenkraftwerke
  3. Gezeitenkraftwerke.
Nur die erste dieser Methoden ist aber von praktischer Bedeutung, die beiden anderen Methoden tragen nur in vernachlässigbarem Umfang zu unserer heutigen Energieversorgung bei. Auch ihre Zukunftsperspektiven sind äußerst gering, wie in Energie2 berechnet. Aus besonderen Gründen wird aber unten auf die Probleme der Wellenkraftwerke eingegangen.

1. Wasserkraftwerke

Dagegen stellt die elektrische Energie, die mithilfe von Wasserkraftwerken aus den strömenden Abwässern gewandelt wird, auch heute noch den dominanten Anteil in der Liste aller uns zur Verfügung stehenden erneuerbaren Energien. Man unterscheidet bei den Wasserkraftwerken zwischen großen Anlagen, welche eine installierte elektrische Leistung von über 105 kWh a-1 besitzen und überwiegend eine Staustufe aufweisen, und den kleinen Anlagen, deren installierte elektrische Leistung unter dieser Grenze liegt. Bei der Versorgung der Welt mit elektrischer Energie sind  allein die großen Anlagen von wesentlicher Bedeutung.

Wir werden zur Charakterisierung der verfügbaren Wasserenergie in der Abbildung rechts das Substitutionsverfahren anwenden, das heißt, die gewandelte elektrische Energie wird als Primärenergieäquivalent angegeben. Die Details der Berechnung  des Äquivalents aller erneuerbarer Energien und insbesondere des darin enthaltenen Anteils an elektrischer Energie sind in Kap. 3.1 beschrieben. In der Abbildung rechts ist gezeigt, welchen relativen Beitrag erneuerbare Energien am globalen Primärenergiebedarf in den Jahren von 2000 bis 2019 lieferten und wie groß der Teilbeitrag der elektrischen Energie war.  Letzterer ist noch einmal getrennt nach dem Beitrag aus Wasserkraftwerken allein (WKW, hellblau) und dem aus allen anderen Quellen erneuerbarer Energien, hauptsächlich aus Windkraftwerken (WKA, dunkelblau).

Der prozentuale Anteil (100*Versorgungsgrad) erneuerbarer Energien an der Versorgung der Welt mit Primärenergie (grün) und welchen Beitrag die elektrische Energie dabei leistete, aus Wasserkraftwerken (hellblau) und aus allen restlichen erneuerbaren Quellen (dunkelblau). Die Daten wurden der  BP-Statistik1) entnommen.
Demnach ist  der Versorgungsgrad mit erneuerbaren Energien in dem betrachteten Zeitraum langsam von 5.5% auf 10.0% gestiegen und wird im Jahr 2025 wahrscheinlich eine Höhe von ca. 14% erreichen. Damit war der Zuwachs in der Nutzung erneuerbarer Energien nur geringfügig größer als der des Primärenergiebedarfs insgesamt (siehe Kap.1). Dagegen hat sich der Anteil der elektrischen Energie aus Wasserkraftwerken praktisch nicht verändert, er lag in dem betrachteten Zeitraum konstant bei etwa 4%. Die Bedeutung der Wasserenergie im Kanon aller erneuerbarer Energien geht damit langsam zurück.

Dies ist nicht allzu verwunderlich: Die Wasserenergie ist, abgesehen von der Biomasse, die älteste genutzte Form der erneuerbaren Energien, sie ist weltweit stark ausgebaut und ihrer weiteren Entwicklung sind Grenzen gesetzt. Ausreichend große Wasserströmungen sind nur in den Ländern anzutreffen, über denen sich große Regengebiete entwickeln können und in welchen sich außerdem Gebiete mit großen Höhendifferenzen befinden, die also große Gebirge besitzen. Um dies zu erläutern, sind in der Tabelle2) unten die Länder zusammengestellt, welche die theoretisch größten Reserven an Wasserenergie besitzen.


theoret.
Leistung
installierte
Leistung
gewandelte
Leistung
Kapazitäts-
faktor
Nutzungs-
grad
Versorgungs-
grad3)
Land (109 kWh a-1)


VRChina 16175 2182 (3122)
714 (1270)
0.33 (0.41)
0.25 (0.31)
0.036 (0.028)
USA 12254 679 (900)
319 (271)
0.47 (0.30)
0.35 (0.23)
0.017 (0.019)
Brasilien 8306 722 (955)
429 (399)
0.59 (0.42)
0.44 (0.32)
0.186 (0.191)
Russland
7650
435 (437)
180 (194)
0.41 (0.44)
0.31 (0.33)
0.032 (0.033)
Indien 7208 334 (439)
131 (162)
0.39 (0.37)
0.29 (0.28)
0.029 (0.021)
Kanada
3522
658 (713)
348 (382)
0.53 (0.54)
0.40 (0.41)
0.135 (0.136)
Norwegen 1639 133 (286)
68.0 (125)
0.51 (0.44)
0.38 (0.33)
0.195 (0.214)
Türkei
1128
151 (250)
57.5 (89.2)
0.38 (0.36)
0.29 (0.27)
0.062 (0.049)
....
....
....
....

....

Deutschland
328
41.5 (49.0)
18.9 (20.2)
0.44 (0.41)
0.33 (0.31)
0.007 (0.008)
....
....
....
....

....

Welt
111200
7656 (11458)
3119 (4222)
0.41 (0.37)
0.31 (0.28)
0.033 (0.030)
Die Länder mit dem größten Potenzial an Wasserenergie und wie viel davon für die Energieversorgung im Jahr 2011 und 2019 (Zahlen in roten Klammern) genutzt wurden. Dies wird ausgedrückt durch den Kapazitätsfaktor und den Versorgungsgrad relativ zu dem Primärenergiebedarf.

Theoretisch in diesem Kontext bedeutet, dass alle politischen, ökologischen,  ökonomischen und technischen Probleme, die sich der Wandlung der Wasserenergie in elektrische Energie entgegenstellen, außer Acht gelassen werden. Im Wesentlichen sagt dieser Wert nur aus, mit wie viel Regen pro Jahr dieses Land rechnen kann und wie hoch das mittlere Gefälle der beregneten Fläche bis zum Meeresspiegel ist. Wie viel von dieser theoretisch vorhandenen Energie durch Wasserkraftwerke tatsächlich genutzt werden kann, das ist in der nächsten Spalte "installierte Leistung" gezeigt. Der Unterschied zwischen theoretischer und installierter Leistung macht also deutlich, wie groß die bei der Nutzung der Wasserenergie zu überwindenden Schwierigkeiten sind. Wegen dieser Schwierigkeiten sind in der obigen Tabelle auch einige Länder nicht vertreten, obwohl sie über theoretisch große Leistungsreserven verfügen. Dazu gehören:
Indonesien mit 5866 · 109 kWh a-1,
Peru mit 4311 · 109 kWh a-1,
DRKongo mit 3817 · 109 kWh a-1,
Kolumbien mit 2732 · 109 kWh a-1,
 Myanmar mit 2396 · 109 kWh a-1.
Diese Länder zählen alle zur Klasse der we-Länder. Dass sie die Wasserkraft nicht stärker nutzen, liegt wahrscheinlich an der fehlenden Infrastruktur und mangelnden Investitionen.

Außerdem wird die installierte Leistung auch nur dann wirklich genutzt, wenn die Wasserkraftwerke mit dem maximal möglichen Wirkungsgrad die Energie wandeln und die Wasserläufe und Wasserspeicher immer die optimale Wassermenge führen. Diese Bedingungen sind selten ein ganzes Jahr über erfüllt und deswegen ist die gewandelte Leistung in der nächsten Spalte immer kleiner als die installierte Leistung. Aus beiden Leistungswerten ergibt sich der Kapazitätsfaktor oder der Nutzungsgrad, den die Wasserkraftwerke eines Lands im Mittel erreichen, wobei ein theoretischer Wirkungsgrad von  = 0.75 vorausgesetzt wird (siehe Energie2 und Kap.3.3). Die Werte für den erreichten Nutzungsgrad schwanken von Land zu Land sehr stark. Einen hohen Nutzungsgrad erreicht eigentlich nur Kanada: Dieses Land liegt in einer Region mit großen Niederschlagsmengen (siehe Energie2) und besitzen hohe Gebirgszüge. Dagegen ist der Nutzungsgrad in Ländern wie Indien und die Türkei, die in dem Trockengebiet der Erde zwischen dem 15. und 40. Breitengrad liegen, sehr viel geringer. Und in 2 Ländern (USA und Brasilien) hat der Nutzungsgrad zwischen 2011 und 2019 sogar stark abgenommen: Wahrscheinlich eine Folge des Klimawandels, insbesondere in Brasilien, wo die Ursache die steigende Abholzung des Regenwalds ist,

Schließlich können wir aus der gewandelten Leistung berechnen, mit welchem Versorgungsgrad die Wasserenergie zur Versorgung der Länder am Ende des Jahrs 2011 und 2019  mit Primärenergie beigetragen hat. Auch der Versorgungsgrad schwankt sehr stark von Land zu Land, er ist in Norwegen mit einem Versorgungsgrad von fast = 0.21 am größten. Diese europäische Land kann also mehr als 21% seines  Primärenergiebedarfs aus Wasserkraftwerken decken. Und daher wurde in der Vergangenheit ein Teil dieser Energie in andere europäische Länder, wie z.B. Deutschland, exportiert. Aber Vorsicht:
  • Schon 2010 wurde Norwegen vom Exporteur zum Importeur elektrischer Energie.
  • Seit 1991 ist der norwegische Elektrizitätsmarkt dereguliert und Energie wird dorthin verkauft, wo die Preise am höchsten sind.
Und dies gilt ebenso auch für die deutschen Pläne, Norwegen als geeigneten Ort für Speicherkraftwerke zu gewinnen, um die Leistungsfluktuationen insbesondere von deutschen Windkraftwerken auszugleichen.

2. Wellenkraftwerke

Über Wellenkraftwerke gibt es nicht so viele neue Informationen, dass es sich lohnte, darüber zu berichten. Trotzdem erreichen mich schon seit längerer Zeit Anfragen, welche sich auf einen Artikel in der englischen Ausgabe von  Wikipedia beziehen. Mit den dort publizierten Formeln zur Wellenleistung werden Ergebnisse erzielt, die  denen widersprechen, welche  ich berechnet habe. Aufgabe dieses Abschnitts ist es, auf diese Widersprüche, auch für die Allgemeinheit sichtbar, einzugehen.

Die von Wikipedia publizierte Formel zur Wellenleistung pro Küstenlänge lautet
.               (1)
Dagegen lautet die von mir angegebene Formel
.
Um meine Formel so umzuformen, dass sie die Größen der Wikipedia-Formel benutzt, muss man berücksichtigen, dass für Wasserwellen die Beziehung gilt. Dann ergibt sich als modifizierte Formel (wenn noch d durch H ersetzt wird)
.                     (2)
Die Formeln (1) und (2) unterscheiden sich ganz wesentlich in der Behandlung der Wellenperiode T und dies ist entscheidend um zu erkennen, dass (1) falsch sein muss. Denn der Grenzfall "keine Wellen" (T -> ) ergibt
für (1) P -> , aber für (2) P -> 0
und allein das 2. Ergebnis ist verständlich und daher korrekt.

Ein anderer wichtiger Punkt ist der, dass für die Berechnung der nutzbaren Leistung von Meereswellen nicht der Bezug auf die Küstenlänge maßgeblich ist, sondern der Bezug auf die Meeresoberfläche. Dieser ergibt sich, wenn die Leistungsformeln durch H dividiert werden. Also für die in meinem Buch publizierte Formel ergibt sich
.                     (3)
Seltsamerweise lässt sich dieses Ergebnis auch ableiten mithilfe der in Wikipedia angegebenen Eigenschaften von Meereswellen, ohne dass der Widerspruch zu der dort angegebenen Leistungsformel (1) erkannt wurde. Denn laut Wikipedia beträgt die auf die Meeresoberfläche normierte Wellenenergie
,
woraus wegen der fundamentalen Beziehung P = W/T folgt, dass für die Wellenleistung gilt
.                        (4)
Die Formeln (3) und (4) unterscheiden sich nur durch den Vorfaktor f = 1/6 für (3) und f = 1/16 für (4). Und dies ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass in (4) die zeitlichen Fluktuationen der Wellenhöhe H berücksichtigt sind, was wohl der tatsächlichen Situation in den Meeren angemessen ist.

Um die Unterschiede zu verdeutlichen, folgen hier die Ergebnisse für die in Wikipedia behandelten Beispiele:

1:
H = 3 m, T =   8 s ergibt nach (4) P/A = 0.7 kW m-2, aber nach (1) P/l = 36 kW m-1.
2:
H = 15 m, T = 15 s ergibt nach (4) P/A = 9.4 kW m-2, aber nach (1) P/l = 1.7 MW m-1.

Der Pelamis-Schwimmkörper des gescheiterten Agucadora-Wellenparks vor der Küste Portugals hatte eine Grundfläche von 120x3.5 m2, die verfügbare Eingangsenergie pro Schwimmkörper betrug im Normalfall 1 etwa Wi = 294 kW. Der Nutzungsgrad für die Wandlung in das Primärenergieäquivalent kann, nach meiner Schätzung, nicht größer als = 0.1 gewesen sein. Dies ergibt einen Beitrag zur elektrischen Energie aus erneuerbaren Energien  bei der Installation von 3 Schwimmkörpern von etwa
W(ernb)el = 90 kW.
Wie der Betreiber der Anlage auf W(ernb)el = 2.25 MW kam, ist mir nicht ersichtlich. Kann es sein, dass das Scheitern dieser Anlage nicht allein auf die mechanische Beanspruchung zurückzuführen ist? Im Mai 2010 soll eine ähnliche Anlage vor Orkney/Schottland in Betrieb gehen, über ihren Erfolg liegen bisher keine Berichte vor.

Dies sind substantielle Bedenken und ich habe Wikipedia darauf hingewiesen(subsection 12). Bisher ohne Reaktion, aber die kann ja in Zukunft noch kommen, in welcher Weise auch immer.


1) Der Unterschied zur entsprechenden Abbildung in Kap. 3.1 beruht i.W. darauf, dass die BP-Statitik nicht den Anteil der thermischen Energie berücksichtigt.
2) Die Tabelle für 2011 ist im Internet nicht mehr zu finden.
2) Normiert auf den Primärenergiebedarf am Ende von 2011, bzw. 2019. Die Werte werden berechnet mithilfe der Substitutionsmethode ( = 0.65).