Einleitung




Ergänzungen
Mitte 2023:
 
Deutschland
USA
elektr. Energie

Die Struktur der erneuerbaren Energien


Zunächst eine Erläuterung: Wenn in diesem Manuskript, wie auch in energie2 und den sonstigen Medien, von Energie W die Rede ist, handelt es sich oft um Leistung P. Welche dieser beiden Größen eigentlich gemeint ist, erkennt man an ihren Einheiten: [W] = kWh, [P] = kWh/a (oder W). Außerdem besteht  in den Medien keine Klarheit darüber, welche Energien als "erneuerbare Energien" zu bezeichnen sind. Sind damit die in energie2 so genannten Eingangsenergien Wi (Solarenergie, Erdwärme, Gravitationsenergie) gemeint, oder die daraus gewandelten Primärenergieäquivalente W(ernb) (überwiegend elektrische Energie)? In dem vorliegenden Manuskript werden wir beide Stufen des Wandlungsprozesses mit dem Begriff der erneuerbaren Energien kennzeichnen, denn aus dem Text wird meistens deutlich, um welche Stufe es sich handelt. In Einzelfällen wird aber auch darauf hingewiesen, welche Stufe gemeint ist. Ein weiteres Problem tritt auf, wenn man die Notwendigkeit der Energiespeicherung betrachtet, welche sich aus dem fluktuierenden Angebot erneuerbarer Energien ergibt. Dann benutze ich auch die alternative Größe Primärenergieangebot PEA  für die gewandelte Energie (die u.U. identisch zur Endenergie ist), dagegen Primärenergiebedarf PEB manchmal für die installierte Energie. In diesem Fall gilt immer PEB > PEA. Im Jahr 2020 z.B. galt für die Versorgung Deutschlands mit elektrischer Energie aus erneuerbaren Quellen PEB = 4.6 PEA, und trotzdem konnten damit nur 45% des tatsächlichen Strombedarfs gedeckt werden.
 
Es ist i.A. nicht einfach, den Anteil erneuerbarer Energien an der globalen Versorgung mit Primärenergie zu ermitteln. Aber im Prinzip setzt sich dieser Anteil aus 3 verschiedenen Energieformen zusammen (siehe Energie2):
  1. Der elektrischen Energie W(ernb)el, die eigentlich eine Form von Endenergie ist,
  2. der chemischen Energie W(ernb)chem,
  3. und der thermischen Energie Q(ernb).
Während z.B. die BP für W(ernb)el und W(ernb)chem zuverlässige Daten auch global zur Verfügung stellt, fehlen diese fast vollständig für Q(ernb). Dafür gibt es verständliche Gründe. Die Hauptbeiträge zu Q(ernb) kommen aus der Verbrennung von Biomasse und der Solarthermie zur Erwärmung von Wasser. Die traditionelle Nutzung von Biomasse findet überwiegend im Sektor "private Haushalte" statt und lässt sich daher nur schwer statistisch erfassen. Ähnliches gilt für die Solarthermie, von der sich allerdings annehmen lässt, dass ihre Bedeutung auch viel geringer ist.

Um beide Beiträge zu berücksichtigen, ist man auf plausible Abschätzungen angewiesen. Eine Abschätzung, welche für 2008 einen 13% Beitrag der traditionellen Biomassenutzung zur Endenergieversorgung der Welt angibt2), ist nicht plausibel. Denn diesem entsprechen 1.27 · 1013 kWh a-1 und dieser Betrag übersteigt den Grundumsatz3) von 6 Mrd Menschen um mehr als des 4fache. Jeder beantworte sich selbst diese Frage: Verwende ich mehr als des 4fache meines jährlichen Nahrungsbedarfs, um meinen Heizungsbedarf durch Produkte aus der Forst- und Landwirtschaft zu decken? Sicherlich nicht, denn sonst wäre die Mehrzahl der Menschen längst verhungert. Der Grund für diese Fehlabschätzung liegt vermutlich darin, dass zur "Biomasse" auch der Beitrag gezählt wird, der durch die fortschreitende Vernichtung der Wälder, insbesondere der Regenwälder, entsteht und zu dem sich nur sagen lässt:
  • Dieser Beitrag ist nicht nachhaltig, denn die Geschwindigkeit der Waldvernichtung lässt ein gleich schnelles Nachwachsen des Walds nicht zu. Daher ist dieser Beitrag zur Biomasse auch nicht "erneuerbar".
  • Die Waldvernichtung ist nicht nur nicht nachhaltig, sondern sie hat auch große Auswirkungen auf unsere Umwelt, insbesondere auf den Kohlenstoffkreislauf und den Wasserhaushalt der Erde.
  • Der Grund für die Waldvernichtung ist nicht nur in der Energieversorgung zu suchen, sondern Brandrodungen geschehen gewöhnlich zur Gewinnung von landwirtschaftlichen Nutzflächen (siehe dazu auch Kap. 3.9.2). Ein weiterer Grund ist die starke Nachfrage nach Edelhölzern in der Holzindustrie. Das unsachgemäße Fällen von solchen Baumbeständen verursacht gleichzeitig irreparable Schäden an anderen Baumbeständen, für die gar keine Nachfrage besteht.
Man sollte daher Biomasse, die allein der Energieversorgung dient, sauber trennen von allen anderen Nutzungssektoren und bei den in Kap.1 angegebenen Daten ist dies geschehen.

Grundlage bilden die verlässlichen Daten zu W(ernb)el, W(ernb)chem und Q(ernb), welche für Deutschland im Jahr 2008 vom  BMU publiziert wurden. Diese werden hier benutzt, um den Anteil von Q(ernb) und damit W(ernb) auch global abzuschätzen. Zur Abschätzung wird von dem prinzipiell immer gültigen Ansatz ausgegangen4):
,
wobei x der Anteil von Q(ernb) an W(ernb) ist und der Nutzungsgrad , mit dem die Primärenergie in Endenergie gewandelt wird. Für Deutschland im Jahr 2008 ergaben sich x = 0.28 und = 0.65. Diese Abschätzung ist plausibel, auch im globalen Kontext, denn:
  • Der Beitrag der Solarthermie wird nicht um Größenordnungen höher sein als der aus der Wandlung von Solarenergie in elektrische Energie (Fotovoltaik und Solarkraftwerke). Selbst wenn man von einem 10fach höheren Beitrag ausgeht, hat dieser Anteil an Q(ernb) im Jahr 2008 global nur 1.7 · 1011 kWh a-1 betragen. Aus den vorhandenen Daten lässt sich ein Anteil von 0.8 · 1011 kWh a-1 errechnen. Davon entfallen allein 70.5% auf die VRChina.
  • Der Beitrag der Wälder zur Biomasse wurde in Energie2 mit 2 · 1012 kWh a-1 berechnet. Wird dieser Beitrag als gleich groß zum Grundumsatz von 6 Mrd Menschen angenommen, ergibt sich 3 · 1012 kWh a-1.
Insgesamt folgt aus diesen Plausibilitätsbetrachtungen Q(ernb)   2.5 · 1012 kWh a-1, während die Formel oben für das Jahr 2008 Q(ernb) =  2.4 · 1012 kWh a-1 ergibt.

Die Ergebnisse dieser Abschätzungen sind in der rechten Abbildung gezeigt und man vergleiche das Ergebnis mit der obersten Abbildung in Kap. 1.1. In beiden Abbildungen bildet die Basis für die Berechnung der Energiedaten die Substitutionsmethode, ähnliche Berechnung auf der Basis der Wirkungsradmethode finden sich in Kap.3.9 ff.

Die Verwendung erneuerbarer Energien wird dominiert von der Nutzung des Regenwassers (Wasserkraftwerke=WKW) und der thermischen Nutzung von Biomasse. Global gesehen spielt die elektrische Nutzung der Windenergie und Biomasse noch eine untergeordnete Rolle, noch kleiner ist die solare Nutzung, die auch Beiträge der Gezeiten und der Wellen einschließt. Die größten Steigerungsraten von mehr als 1000% zwischen 2000 und 2020 weist die Nutzung von Biotreibstoffen auf,  obwohl dies bei weitem nicht ausreicht, um die fossilen Energien im Sektor Verkehr zu ersetzen. Zum Vergleich sind die äquivalenten Daten für Deutschland und die USA in Extrakapiteln gezeigt.

Demgegenüber sind die globalen Investitionen5) in erneuerbare Energien (ohne WKW) nicht gestiegen, sondern seit 2011 praktisch konstant geblieben (siehe Abbildung rechts und auch hier). Im Jahr 2020 wurden in China die meisten Investitionen getätigt (ca. 85 Mrd. USD), aber China ist auch das Land mit der größten Einwohnerzahl - daher sagt diese Zahl nicht viel aus! Normiert auf die jeweiligen Einwohnerzahlen beliefen sich die jährlichen Investitionen pro Einwohner:
BRD: 176 USD
USA: 175 USD
China: 94 USD
Also wurde in China nur etwa halb soviel investiert wie in Deutschland oder den USA.6)

Dass seit 2011 die Investitionen nicht gestiegen sind, müsste nicht problematisch sein, wenn im gleichen Zeitraum die Anlagekosten für die Nutzung erneuerbarer Energien gesunken wären. Dies ist aber nicht der Fall,  diese Kosten  sind im betrachtetem Zeitraum i.W. konstant geblieben. Im Jahr 2010 betrugen die Anlagekosten - ohne den thermischen Beitrag - ca. 0.75 USD/(kWh/a). Unter der Annahme, dass diese Kosten in den Folgejahren gleich blieben, lassen sich mithilfe der getätigten Investitionen die zu erwartenden Beiträge der erneuerbaren Energien zur globalen Energieversorgung berechnen7) mit dem Ergebnis (siehe Abbildung oben):
 Die Erwartungen entsprachen Jahr für Jahr den tatsächlichen Beiträgen.
Diese Übereinstimmung ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass sich die Anlagekosten nur unwesentlich verändert haben können. Für die Wichtigsten Energieträger Wind(WKA), Sonne(VPA) und Biomasse(BMA) lassen sich die Anlagekosten aus den Investitionen und den relevanten Primärenergieäquivalenten berechnen (siehe Abbildung rechts): K(WKA) und K(BMA) sind praktisch unverändert geblieben, im Jahr 2020 betrugen sie: K(WKA) = 0.70 bzw. K(BMA) = 0.23 USD/(kWh/a)). Dagegen zeigt K(PVA) ein anderes Verhalten. Es erreichte in den Jahren 2007/08 einen maximalen Wert von 12 USD/(kWh/a)) und nahm danach exponentiell ab bis auf 1.48 USD/(kWh/a)) im Jahre 2020, ist also immer noch mehr als doppelt so hoch wie für die beiden anderen Primärenergieäquivalente.


Die zeitliche Entwicklung des globalen Primärenergieäquivalents erneuerbarer Energien seit 2000. Die blauen Flächen entsprechen elektrischer Energie, die roten chemischer Energie und die grūnen thermischer  Energie. Die gelben Punkte zeigen die erwartete Entwicklung aufgrund der Investitionen bei konstanten Anlagekosten.



Globale Inflationsbereinigte5) Investitionen in erneuerbare Energien (nach BloombergNEF und REN21). Abkürzungen:
PVA=Fotovoltaik, WKA=Wind, BMA=Biomasse,
ve-St.=ve-Staaten, we-St.=we-Staaten.





Entwicklung der Kosten für die  Primärenergieäquivalente
 
WKA, PVA und BMA.

Aber der Beitrag der Fotovoltaik zur globalen Energieversorgung ist so gering, dass er keinen Einfluss auf die Gesamtanlagekosten hatte. Und das korreliert mit der Aufforderung der IEA, die globalen Investitionen nach dem Jahr 2021 mindestens zu verdreifachen, insbesondere bei der Versorgung mit elektrischer Energie W(ernb)el.

In einem Sonderkapitel  ist gezeigt, welchen Anteil die elektrische Energie Wel insgesamt (aus fossilen und erneuerbaren Quellen) an der Deckung des Primärenergiebedarfs hatte. Denn diese Energieform kann man durchaus als Maßstab dafür nehmen, wie weit fortgeschritten die Einführung erneuerbarer Energien ist. Insgesamt ist die Nutzung erneuerbarer Energien nicht viel stärker angestiegen, als der globale Primärenergiebedarf selbst. Erstere machen daher immer noch weniger als 15% des letzteren aus. Mehr dazu ist in dem Kap. 9.1 und in Kap. 3.5 zu finden, wo die nutzbare Energie des Wassers im Detail behandelt wird.

Die Problematik der erneuerbaren Energien

Wie oben dargestellt, sind die Wasserkraft und die Biomasse die wesentlichen Ressourcen für erneuerbare Energien. Das ist nicht überraschend: Beide Ressourcen stehen eigentlich immer zur Verfügung, denn sie lassen sich speichern. Dass sie trotzdem nicht die Hauptlast der globalen Energieversorgung tragen, liegt an 2 fundamentalen Gegebenheiten, sprich Nachteilen:
  • Der begrenzten Menge von Niederschlägen und der Geografie der Erde mit ihren begrenzten Landflächen und Oberflächenerhebungen.
In einigen Ländern, und zu diesen gehört auch Deutschland, sind diese Nachteile besonders gravierend. In diesen Ländern spielen Wasserkraft und/oder Biomasse nur eine untergeordnete Rolle, die wesentlichen Beiträge zu den erneuerbaren Energie liefern die Windkraft und die Fotovoltaik. Allerdings sind beide mit weiteren gravierenden Nachteilen behaftet:
  • Ihre Verfügbarkeit verändert sich zeitlich und es existieren bisher keine akzeptablen Speichermöglichkeiten, um diese Energiefluktuationen auszugleichen.
Das Phänomen der Energiefluktuationen ist in energie2 und auch hier diskutiert worden, es hat z.B. die Konsequenz, dass die installierte Leistung von Windkraftanlagen(WKA) und Fotovoltaikanlagen(PVA) sehr viel größer sein muss, als der tatsächliche Bedarf, der mit beiden gedeckt werden soll, i.e. PEB > PEA. . Wie stark die Energiefluktuationen in Deutschland sind und wie sie die Auslastung von Anlagen bestimmen, soll in einem Extrakapitel untersucht werden. Als Ergebnis dieser Untersuchung stellt sich dann die Frage:

Wie kann jemand auf die wahnwitzige Idee kommen, die Energieversorgung einer Industrienation auf eine Basis zu stellen, welche immer nur eine halbjährige Anlagenauslastung von weniger als 15% haben wird?

Und trotzdem behauptet Deutschland von sich, ein Vorbild für die gesamte Welt zu sein und den gangbaren Weg in eine "grüne Zukunft" zu zeigen. Ob dieser Weg tatsächlich gangbar ist, wird in einem Sonderkapitel diskutiert werden. Sicher ist aber, dass in anderen Ländern ganz andere Bedingungen herrschen (besonders bezüglich der Wasserkraft) und dies in Vorschlägen berücksichtigt werden muss, den globalen Energiebedarf allein aus erneuerbaren Quellen zu decken. Kritiker (siehe hier und hier) halten derartige Vorschläge für rein akademisch und nicht realisierbar. Und zu dieser Schlussfolgerung gelangt man auch, wenn man den deutschen Weg untersucht.


1) EIA 2019 enthält keine Informationen mehr zur Wandlung erneuerbarer Energien in elektrische Energie und deren Nutzung. Es werden nur noch Kapazitäten angegeben und diese Informationen sind vollkommen nutzlos, wenn nicht auch die relevanten Kapazitätsfaktoren veröffentlicht werden.
2) Vermutlich enthält dieser Anteil auch Beiträge zur Ernährung (Mensch und Nutztiere?), welche in meinen Analysen nicht berücksichtigt werden. Für 2009 wurde dieser Anteil auf 10% reduziert, aber dies ist immer noch so hoch, dass eine detaillierte Analyse der Beiträge aus erneuerbaren Energien zur Versorgung mit Primärenergie notwendig erscheint. Nur einfach den Publikationen der Internationalen Energieagentur (IEA) zu vertrauen, führt zu falschen Schlüssen, und die IEA ist bekannt dafür, falsche Informationen zu veröffentlichen.
3) Der menschliche Grundumsatz beträgt 1200 kcal d-1, in der hier verwendeten  Maßeinheit also 508 kWh a-1.
4) Diese Umrechnung ist notwendig, weil die von erneuerbaren Energien bereit gestellte elektrische Energie W(ernb)el eine Form der Endenergie sind, die fossilen Energieträger aber Primärenergie darstellen. Wie viel Endenergie sich aus der Primärenergie wandeln lässt, wird vom Nutzungsgrad bestimmt.
5) Diese Investitionen sind bezogen auf den Wert des USD im Jahr 2021, d.h. sie sind inflationsbereinigt.
6) Diese notwendige Normierung auf die Einwohnerzahl relativiert viele der Aussagen in unseren Medien, siehe z.B. hier oder hier.
7) Diese Berechnung setzt voraus, dass die Lebensdauer der Anlagen größer ist als der Investitionszeitraum.