Windkraft in Deutschland

Wie sich Ende 2020 die deutschen WKA auf die einzelnen Bundesländer verteilten, wie hoch die Anlagenflächendichte und installierte Leistung pro Anlage waren, das ist in der Tabelle unten angegeben.


Anzahl
(Zubau
  seit 2019)
Anlagen-
flächen-
dichte
(10-3 km-2)
Installierte Leistung
pro Anlage
 (MW)
Vers.
grad

(a)
Kap.
faktor

(a)
Baden-
Württemberg
779(+12)
21.8 2.12
0.045
0.18
Bayern
1241(+8)
17.6
2.07
0.061
0.20
Berlin
Brandenburg
3898(+70)
131.4
1.92
0.203
0.18
Bremen
91(+0)
217.2
2.18
0.059
0.19
Hamburg
65(+0)
86.1
1.97
0.019
0.19
Hessen
1179(+27)
55.8
1.95
0.233
0.19
Mecklenburg-
Vorpommern
3965(+33)
170.2
1.81
0.483
0.33
Niedersachsen
6352(+48)
133.1
1.80
0.335
0.30
Nordrhein-
Westfalen
3818(+93)
111.9
1.62
0.064
0.18
Rheinland-Pfalz
1791(+26)
90.2
2.10
0.309
0.19
Saarland
216(+7)
84.0
2.34
0.053 0.21
Sachsen
965(+3)
52.3
1.34
0.046
0.18
Sachsen-Anhalt
3673(+35)
141.3
1.83
0.309
0.18
Schleswig-
Holstein
3669(+11)
232.5
1.92
0.485 0.29
Thüringen
933(+16)
57.6
1.87
0.259
0.18
Charakteristische Parameter der Onshore-Windkraftanlagen bis Ende 2019 in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland
(a)Der Versorgungsgrad wurde den Veröffentlichungen des Windmonitors  entnommen, der Kapazitätsfaktor wurde berechnet mithilfe der Angaben von statistischen Landesämtern (für das Jahr 2017 und früher, denn neuere Angaben existieren nicht). Dabei stellt sich heraus, dass diese nicht immer übereinstimmen mit denen, welche man z.B. hier findet.
Dabei fällt auf, dass sich der Zubau seit 2019 wesentlich verlangsamt hat. Er betrug 2020 nur noch ca. 1% der Gesamtzahl deutscher Onshore-Windkraftanlagen, und das hat drastische Konsequenzen für deutsche Windkraftunternehmen, auf die ich unten eingehen werde.

Die Anlagenflächendichte mit mehr als 150 · 10-3 km-2 ist in den Bundesländern am höchsten , die über relativ große Küstengebiete verfügen, wie Bremen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Das ist auch verständlich, denn der Bau einer WKA ist nur dort sinnvoll, wo der Wind genügend stark weht, und das sind i.A. die ebenen Gebiete in der Nähe von Meeresflächen (siehe Energie2).

Die momentanen Werte der Windgeschwindigkeiten an verschiedenen Orten im Bundesgebiet werden vom Internationalen Wirtschaftsforum Regenerative Energien (IWR) in das Internet gestellt und können dort nachgesehen werden. In dieser Darstellung werden die Windgeschwindigkeiten jetzt in der SI-Maßeinheit
 ([v] = m s-1)
angegeben. Die Bedingung
v 4 m s-1
muss erfüllt sein, damit eine WKA die Windenergie effizient in elektrische Energie wandeln kann. Zwar wurde für das gesamte Gebiet der BRD ein Windatlas erstellt, der die Gebiete ausweist, in denen obige Bedingung erfüllt sein soll. Aber spiegelt dieser Atlas wirklich die Realitäten wieder -Zweifel bestehen und die Abbildung unten links entspricht wohl eher den Realitäten.

Standorte deutscher WKA
zur Mitte des Jahres 2015
(siehe Bundesamt f
ür
Naturschutz)

Die roten Flächen/Punkte
zeigen Orte/Anlagen mit
einer hinreichenden
mittleren Windgeschwin-
digkeit (siehe oben). In den grünen Orten/Flächen ist die mittlere Windgeschwin-
digkeit für einen renta-
blen Betrieb der WKA
eigentlich zu gering.


Die Abbildung links wurde vom Bundesamt für Naturschutz publiziert und wird hier gezeigt, um einen Eindruck zu vermitteln von der Standortverteilung deutscher Onshore-WKA.

Wie zu erwarten, ist der Unterschied zwischen Standorten in Norddeutschland und Süddeutschland klar zu erkennen: Nur erstere sind geeignet für WKAs, letztere sind ungeeignet. Trotzdem unternimmt z.B. Baden-Württemberg (mein Heimatland) alle Anstrengungen, auch hier die Windkraft besser zu etablieren.mit dem Argument, die jetzige Flächendichte sei zu gering, und ohne den Kapazitätsfaktor zu beachten (siehe Tabelle oben).
Es ist also nicht überraschend, dass die WKA in 3 deutschen Küstenländern (Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern) die höchsten Kapazitätsfaktoren erreichen (die zeitliche Entwicklung des Kapazitätsfaktors aller deutscher WKA wird hier gezeigt), Küstenländer besitzen eben das größere Windenergiepotential. Der größere Bedarf nach elektrischer Energie entsteht aber in den Südländern (Bayern, Baden-Württemberg), welche nur einen sehr geringen Versorgungsgrad mit Windenergie besitzen. Um die Energie vom Norden nach Süden zu transportieren, müssen dafür ausgelegte Stromtrassen gebaut werden. Gegen deren Bau wehren sich  Bürgerinitiativen ebenso, wie gegen den Bau weiterer WKA in Deutschland ganz allgemein.1) Denn auch die größte Anlagendichte wird in einem Küstenland (Schleswig-Holstein) erreicht, das strukturschwach ist und für das die Tourismusindustrie eine besondere Bedeutung besitzt. Daher ist verständlich, dass die betroffene Bevölkerung immer weniger bereit ist, die "Verspargelung" ihrer Landschaft hinzunehmen. Dabei sind nicht Anwohnerinitiativen die Hauptgegner von WKAs, sondern Umweltverbände, welche gegen deren Errichtung in Schutzgebieten gerichtlich vorgehen. Der wachsende Widerstand zwingt die Bundesregierung zum Handeln: Mit der EEG Novelle(2020) wird dieser Widerstand als gegen die "öffentliche Sicherheit" gerichtet abgeurteilt und damit wird es schwieriger, dass sich die Gegner gerichtlich gegen den weiteren Ausbau wehren können.

Die Tatsache, dass die Anzahl der existierenden WKA in Deutschland im Jahr 2020 etwa 30000 Onshore-Anlagen erreicht hatte, ist auch dem Umstand zu verdanken, dass deren Bau bis 2017 noch staatlich gefördert wurde und jede gewandelte kWh mit einer (für 20 Jahre garantierten) Einspeisevergütung für Onshore-Anlagen von maximal 0.075 €/kWh "belohnt" wurde. Für Offshore-Anlagen(siehe unten) betrug diese Vergütung maximal 0.194 €/kWh. Die Ergebnisse dieser Subventionen lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Eine mittlere deutsche Windkraftanlage hatte im Jahr 2020 eine installierte Leistung von ca.
P = 17.5 GWh/a (2.0 MW)
und das 14jahresmittel des Kapazitätsfaktors aller deutscher Onshore-Windkraftanlagen betrug = 0.18.
In Dänemark dagegen, das einen hohen Anteil von Offshore-Windkraftanlagen besitzt, ist der Kapazitätsfaktor wesentlich größer.

Deutschland will deshalb in der Zukunft diese Technik bevorzugt einsetzen, auch weil sich bei den Bewohnern der Küstenregionen zunehmend Widerstand regt, die schon jetzt große Anlagenflächendichte noch weiter zu vergrößern (siehe oben). Eine Liste der in der EU errichteten und geplanten Offshore-Anlagen findet man Internet. Demnach existierten bis Anfang 2020 in der Nordsee 21, in der Ostsee 4 deutsche Offshore-Windparks mit einer Gesamtzahl von 1434 WKA und einer installierten Gesamtleistung von 7.7 GW. Vergleicht man dies mit den 54.9 GW installierter Leistung aller deutschen WKA auf dem Land, so wird deutlich, dass bis Ende 2020 die Offshore-Anlagen mit ca. 14% Anteil nur wenig zur Energieversorgung mithilfe der Windkraft beigetragen haben.

Das hat Gründe:
  • Die internen Kosten von Offshore-Anlagen sind mindestens doppelt so hoch wie die von landgebundenen Anlagen. Daher ist verständlich, dass die Mehrzahl der deutschen Anlagen von einer Gemeinschaft aus Energieversorgungsunternehmen errichtet wurde und nicht von privaten Investorengesellschaften.
  • Die Gefahr, dass die Offshore-Anlage defekt wird, ist viel höher als bei landgebundenen Anlagen (siehe z.B. die 3. Fußnote im Kapitel 3.6).
  • Die Reparaturzeiten sind viel länger, da sich erst günstige Wetterbedingungen einstellen müssen, bevor eine Offshore-Anlage repariert werden kann.
  • Die Infrastruktur für Offshore-Anlagen (Anbindung an das Netz) muss erst noch geschaffen werden und verursacht beträchtliche Zusatzkosten.
  • Umweltschützer erheben Bedenken gegen die hohe Anlageflächendichte von Offshore-Anlagen, die sich störend auf die dortigen Tierpopulationen auswirkt.
Die deutsche Regierung forciert allerdings den Ausbau der Offshore-Anlagen (erkennbar schon an der ehemals höheren Vergütung) und 6 weitere Anlagen befinden sich in der Nordsee entweder im Aufbau oder in der Planung. Trotzdem bezweifele ich, dass Offshore-Anlagen wirklich einen wesentlichen Beitrag bei der zukünftigen Energieversorgung Deutschlands spielen werden. Denn einer der größten Nachteile dieser Technik - die Unmöglichkeit der Grundlastversorgung - ist auch mit Offshore-Anlagen nicht beseitigt.

Und das hat gravierende Konsequenzen für die Anlagenbetreiber, seit die gesetzlich festgelegte Einspeisevergütung im neuen EEG durch eine variable, in Auktionen zu verhandelnde Subvention ersetzt wurde. Diese wird sich den Konditionen des Energiemarkts anpassen müssen, und die besagen, dass mit wachsendem Ausbau der Windkraftanlagen der mittlere Preis für Windenergie sinkt und damit auch die Gewinne der Anlagenbetreiber. Die Folge ist, dass seit 2016 die Jobs in der Windindustrie abgebaut werden und der Zubau von WKA sinkt (siehe Abbildung rechts)- noch nie sind seit 2005 eine geringere Anzahl von WKA gebaut worden wie in den Jahren 2019-2020. Hinzu kommt, dass immer mehr Altanlagen nach 20 Jahren garantierter Förderung ausscheiden und sich dem freien Markt ausgesetzt sehen - d.h. ohne Subventionen sind. Die volatilen Preise auf diesem Markt werden sie wohl nicht überleben, was bedeutet, dass deutsche Windkraftunternehmen vermehrt Insolvenz anmelden werden.
Anzahl der Beschäftigten (rot, linke Skala) und Anlagenzubau (grün, rechte Skala) in der Windkraftindustrie seit 2005. 

Und viele Anlagen werden nach 20 Subventionsjahren auch ihr Betriebsende erreicht haben und werden vom Netz genommen. Allein im Jahr 2017 gingen auf diese Weise ca. 0.4 GW installierte Leistung verloren. Selbst wenn als Alternative ein Repowering infrage kommen sollte, müsste die Altanlage zunächst entsorgt werden. Und dann wird es für den Anlagenbesitzer wirklich teuer: Nicht nur müssen, nach geltenden Recht , alle sichtbaren Anlagenteile, sondern auch die unsichtbaren (i.W. das Fundament) entsorgt werden. Und das ist so teuer, dass die Aufsichtsbehörden dies nicht immer durchsetzen. Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis dieses gesetzwidrige Verhalten vor den Gerichten landet oder der Gesetzgeber ein neues Anlagengesetz verabschiedet (z.B. die EEG-Novelle 2021)


1) Neue WKA müssen von Länderbehörden genehmigt werden und einer Reihe von Anforderungen genügen, insbesondere den Vorschriften des Emissionsschutzgesetzes, welche z.B. den Abstand der WKA von Wohngebieten regeln. Diese Regeln sind veraltet und natürlich fühlen sich betroffene Anwohner betrogen. Und das ist nicht nur ein deutsches Phänomen: Auch in anderen Ländern (z.B. Irland) wendet sich die Bevölkerung gegen WKA.